Da trotz zum Teil massiver Beschwerden die Standardblutbilder der Schulmediziner oft unauffällig sind und auch eine erweiterte apparative Diagnostik häufig keine Befunde zu Tage bringt, werden die Beschwerden der Patienten nicht selten als psychosomatisch abgestempelt. Viele Patienten werden dann mit einem Rezept für ein Antidepressivum und vielen unbeantworteten Fragen nach Hause geschickt.
Dass sich hinter der diffusen Symptomatik oft hormonelle Störungen verbergen, die durch das Raster schulmedizinischer Diagnostik fallen, wird häufig übersehen.
Das hat verschiedene Gründe:
Die Schulmedizin bestimmt nicht alle relevanten Werte
Zur Diagnostik der Schilddrüsenfunktion wird meist nur der TSH-Wert (Schilddrüse stimulierendes Hormon aus der Hypophyse), selten aber die Hormone der Schilddrüse selbst, nämlich T3 und T4 bestimmt. Zudem wird kaum berücksichtigt, ob die Aktivierung von T4 zu T3 ausreichend ist.
In der Beurteilung der Nebennierenfunktion gibt es nur ein ganz oder gar nicht. Entweder funktioniert die Nebenniere super und produziert die Stresshormone Adrenalin und Cortisol in ausreichendem Maße oder sie ist völlig insuffizient (Morbus Addison - ein recht seltenes Krankheitsbild, das mit Kortison behandelt werden muss). Dass es durch langanhaltende Stressbelastung zu einer Erschöpfung der Nebennieren - auch Nebennierenschwäche genannt - kommen kann, wird von der Schulmedizin weitestgehend ignoriert. Dabei könnte diese Schwäche mit einem Cortisol-Tagesprofil nachgewiesen werden.
Unterschiedliche Interpretation der Normwerte
Ein gutes Beispiel ist die Bewertung des TSH-Wertes zur Beurteilung der Schilddrüsenfunktion. Schulmedizinisch werden die Werte meist großzügiger interpretiert. Als normal werden Werte zwischen 0,27 und 4,2 mU/l betrachtet. Als optimal gelten jedoch Werte zwischen 0,4 ud 2,5 mU/l. Daher kann beispielsweise ein TSH-Wert von 3,0 mU/l als unbedenklich bewertet worden sein, obwohl der Patient unter einer latenten Schilddrüsenunterfunktion leidet.
Nicht-beachten von Co-Faktoren
Mit Co-Faktoren sind andere Stoffe außer den Hormonen der betreffenden Hormondrüse selbst gemeint, die für die gesunde Funktion der Drüse verantwortlich sind. So spielt neben Jod - das bekanntermaßen gebraucht wird zur Bildung der Schilddrüsenhormone - das Spurenelement Selen eine entscheidende Rolle bei der Umwandlung von T4 in das deutlich aktivere Schilddrüsenhormon T3. Die Nebennieren brauchen wiederum Pantothensäure (Vitamin B5) für ihre gesunde Funktion. Als Co-Faktoren können auch die Hormone der jeweils anderen Hormondrüsen gesehen werden. So wird die Funktion der Schilddrüse beeinflusst durch das Geschlechtshormon Progesteron sowie das Stresshormon Cortisol aus den Nebennieren. Die Schilddrüse wiederum wirkt auf die Bildung von Geschlechtshormonen ein, was eine verminderte Libido bei Schilddrüsenunterfunktion erklärt.
Rein symptomatische Behandlung der Krankheitssymptome
Die Behandlung von hormonellen Störungen sollte sich nicht auf die Gabe von künstlichen Hormonen beschränken. Auch sollten Begleiterscheinungen von hormonellen Störungen, wie Depressionen und Kopfschmerzen, nicht allein medikamentös behandelt werden. Vielmehr macht es Sinn, zugrundeliegende Störungen des Stoffwechsels zu diagnostizieren und ursächlich zu behandeln. Hierzu kann eine Ernährungsumstellung, die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln (Co-Faktoren!) und gegebenenfalls die Einnahme bio-identischer Hormone gehören.