Staphisagria – der Rittersporn

„Ehre, wem Ehre gebührt“

Botanik

Das giftige Stephanskraut (Delphinium staphisagria) gehört zur Gattung der Rittersporne (Delphinium), von denen es über 300 verschiedene Arten gibt. Sie gehören zur Pflanzenfamilie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae).

Die Form ihrer geschlossenen Blütenköpfe mit dem lang gezogenen Sporn eines Blütenblattes erinnert an Delfine und bisweilen auch an Helm oder Dolch eines mittelalterlichen Ritters. Je nachdem, aus welcher Perspektive man darauf schaut.

Weitere Bezeichnungen weisen auf seine Anwendung in der Volksheilkunde hin: Stephanskorn, giftiger Rittersporn, Läusepfeffer, Läusezahn und Läusesamen. Der Name Staphisagria leitet sich aus (griechisch) staphis = getrocknete Weinbeere und agrios = wild ab.

Das Stefanskraut mit seinen blauen bis blauvioletten Blüten, die an den zwischen üppigen Blättern hervorschießenden Stielen für manchen Betrachter einen erhabenen Ausdruck haben, erreicht eine Wuchshöhe von 60 bis 100 Zentimetern. Es ist v.a. in Südeuropa und Kleinasien beheimatet, mag jedoch auch wie andere Rittersporne in mitteleuropäischen Gärten angepflanzt werden. In südlicheren Gefilden wächst die Pflanze gerne an schattigen, trockenen und steinigen Händen, während sie hierzulande durchaus die Sonne liebt. Ihre Blüte reicht von Frühling bis Spätsommer.

Als Inhaltsstoffe finden sich verschiedene giftige Alkaloide, u.a. auch in den Samen („Stephanskörner“), die neben Verdauungstrakt und Nervensystem auch das Herz angreifen und zu Hautreizungen führen können. In hohen Dosen führt eine Vergiftung zu Atemlähmung und Herzstillstand.

Volksheilkundliche Verwendung

Trotz und auch wegen ihrer giftigen Wirkung wurde die Pflanze schon bei den alten Griechen und von Hippokrates als Brechmittel angewandt. Auch zum Abtöten von Läusen und Parasiten machte man sich die giftigen Samen zunutze, sowie zur Behandlung von Warzen. Bei Zahnschmerzen und Hautjucken soll das Stephanskraut Linderung verschafft haben. Daneben wird über schmerzstillende und krampflösende Wirkungen berichtet.

In der heutigen Pflanzenheilkunde wird Staphisagria aufgrund seiner giftigen Wirkung nicht mehr empfohlen.

Homöopathie

Das homöopathische Mittel Staphisagria wird aus den Samen (Stephanskörner) hergestellt. Es wurde erstmals von Samuel Hahnemann geprüft, der in dem Rittersporngewächs aufgrund seiner Giftigkeit eine starke homöopathische Heilwirkung nach dem Ähnlichkeitsprinzip vermutete. Nach Hahnemann gab es viele weitere Arzneimmittelprüfungen und klinische Beobachtungen aus der Anwendung des Mittels, das heute als eines der großen Polychreste („zu vielem nützlich“) der Homöopathie gilt und häufig verschrieben wird.

Als solches zeichnet es sich aus durch ein differentiertes Persönlichkeitsbild und eine Reihe charakteristischer körperlicher Symptome und Modalitäten.

Die Staphisagria-Teilpersönlichkeit

Der Staphisagria-Mensch erscheint für gewöhnlich als grund anständig. Er ist stets freundlich und höflich zu seinen Mitmenschen, bietet Rentnern seinen Sitzplatz im Bus an, während er gerade auf dem Weg zu einer gemeinnützigen Arbeit ist. Er drängelt sich nicht vor, pöbelt nicht, hupt nicht, schließt Wohnungstüren leise, denn er möchte niemanden stören oder zu nahe treten. „Meine Freiheit endet da, wo die Grenzen des anderen anfangen“, schreibt er sich auf die Fahnen. Früher war mal Wehrdienstverweigerer, machte Zivildienst, junge Frauen ein soziales Jahr.

Er lebt schon früh nach hohen Idealen und wünscht sich, dass andere dies auch tun. Es ist für ihn eigentlich völlig unverständlich, wie man ohne einen Kodex leben kann, der die Ehre und Würde des Menschen und allen Lebens an höchste Stelle setzt. Trotzdem beschwert er sich nicht, meckert nicht, jammert nicht, auch wenn das Gefühl der Empörung sich in ihm breit macht. Er sagt nichts und tut nichts, wenn er sich gekränkt fühlt. Man möchte ja niemandem zu nahe treten. Aber innerlich kommt er nicht mehr zur Ruhe und führt in Gedanken stundenlange Diskussionen mit seinem imaginären Gesprächspartner. Man möchte ihn rütteln und schütteln und sagen, „Mensch, wehr Dich doch mal. Sag mal, was Du willst und setz Dich für Deine Bedürfnisse ein!“ Doch der Staphisagria-Mensch setzt sich lieber hin zur Schweigemeditation oder versucht seine Grenzen durch Rauchen zu erweitern (Vlg. n. Tabak). Er ist ent-rüstet und wehrlos und zieht sich in seine Ritterburg der hehren Prinzipien zurück. Dort wartet sie dann auf den Märchenprinzen, der sie befreit und er träumt von einer Feh, die ihn verzaubert.

Aufgrund ihres zarten und anmutigen Wesens lernen sie gelegentlich – dazwischen liegen lange Durststrecken gänzlich unerfüllter Sehnsucht, die nur mit Träumen verbracht wird – ähnlich feinsinnige Traumprinzen und –prinzessinnen in Menschgestalt kennen, in die sie sich auf vollendet romantische Art verlieben. Doch leider liegen in der viel zu plumpen Realität des Alltags meist unüberwindliche Gräben zwischen ihren seelischen Ritterburgen, die ein Zusammenkommen verhindern. Sei es eine andere Heimatstadt, ein „zu großer“ Altersunterschied, berufliche Verpflichtungen oder weiß der Kuckuck was. Wenn nichts der Liebe auch im Fleischlichen im Wege steht, dann traut sich keiner der beiden (meistens sind beide Staphisagria-Persönlichkeiten) den ersten Schritt zu tun. Also bleibt die Liebe erst mal platonisch, was auch viel weniger Angst macht und nicht die schönen Traumschlösser zerstört. Und es werden Briefe und Gedichte ausgetauscht, heutzutage vielleicht per E-Mail und Textnachricht. Ist nur einer der beiden Staphisagria, der andere ein forscherer Typ mit romantischer Ader (z.B. Medorrhinum, Tuberkulinum, ev. auch Phosphor), dann weiß sich der Rittersporn-Typ mit chronischer Blasenentzündung, Frauen auch mit Vaginalpilzen, Männer mit Prostatitis, vor allzu viel körperlicher Nähe zu schützen. Er/ sie könnte auch einfach sagen, „Nein, ich bin bisher nicht bereit …“ Doch ein Nein würde den anderen vor den Kopf stoßen und das gilt es stets zu vermeiden. Außerdem fällt es Staphisagria schwer, über Sexualität zu reden, aufgrund von Scham und Schuldgefühlen. Diese Konfliktvermeidung kann sich dann psycho-somatisch als „körperlicher Konfliktherd“ in Form einer Entzündung oder Infektion widerspiegeln.

Der edle Rittersporn ist ein Weltmeister im Unterdrücken von Gefühlen. Man könnte meinen, für ihn wäre die Trieb- und Gefühlssublimation in Form von Kunst, Literatur und Musik geschaffen worden. Was er am allermeisten unterdrückt, denn für ihn ist es das unwürdigste aller Gefühle, ist die Wut. Wut und Aggression zu zeigen, ist schlicht unter seinem Niveau.

Dabei ist er alles andere als gefühlsarm. In seinem Inneren brodelt es, obwohl ihm das oft nicht bewusst ist. Hinter seinen Idealen und seinem Ehrgefühl steckt ein starkes Gefühl der Kränkung und Ent-ehrtheit. Der Staphisagria-Mensch sitzt in Wirklichkeit auf einem gewaltigen Pulverfass der Wut. Sich dieses einzugestehen, wäre der erste Schritt zur Heilung.

Ebenso wie zur Unterdrückung seiner Wut, muss er eine immense Energie aufwenden, um seine starke sexuelle Lust in den Griff zu bekommen. Körperliche Sexualität kann für ihn etwas Verstörendes haben, etwas Unedles, vielleicht sogar Unästhetisches. Allein die Idee, ungefiltert seinen Gefühlen und Impulsen ihren Lauf zu lassen, kann ihm erhebliche Schuldgefühle bereiten. Aufgrund seiner zurückhaltenden Art fällt es ihm schwer, seine Sexualität mit einem Gegenüber auszuleben, sodass teils exzessive Masturbation als Ventil herhalten muss. Leider ist auch diese mit Schuldgefühlen besetzt und er „beschneidet“ sich in seiner Lust. Interessanterweise sind Schnittverletzungen im Allgemeinen und Beschneidung im Speziellen wichtige Indikationen für den homöopathischen Rittersporn. Auch in einer Phimose mag sich die gefühlsmäßige Enge auf körperlicher Ebene widerspiegeln, die dann oft chirurgisch behandelt werden muss. Staphisagria heilt hier nicht nur die physische Schnittwunde, sondern auch die Seelische.

Neben einer anlagebedingten Konstitution ist eine restriktive Erziehung mit hohen moralischen Erwartungen, wie z.B. strenge Religionsausübung, ein möglicher psychosozialer Faktor für die Entwicklung einer Staphisagria-Pathologie. Demütigende Erfahrungen und Ungerechtigkeit kann dieser Mensch nur schwer verdauen. Dabei gibt er sich alle Mühe, geliebt und geachtet zu werden. Auch sexueller oder „psychischer“ Missbrauch kann einen Teil der Persönlichkeit ins Schattendasein verdrängen. Im späteren Leben begeben sich Staphisagria-Menschen dann oft in Beziehungsmuster, die zu einer fortwährenden Kränkung ihrer Selbst führen und, aus denen sie es lange Zeit nicht schaffen auszubrechen. Zu groß ist der Wunsch geliebt zu werden und zu sehr zum Scheitern verurteilt der Versuch dem Partner immer alles recht zu machen. Unbewusst geben sie sich die Schuld für alles und entehren sich somit selbst. Die Heilung führt hier über das Erleben der Wut. Diese musste während ihrer Erziehung oder aufgrund eines traumatischen Erlebnisses, wie einem Missbrauch, unterdrückt und abgespalten werden. Zu groß war die Gefahr oder die Angst vor einer Strafe und des Liebesentzugs. Vielleicht haben auch schon Gefühle wie Entrüstung und Empörung die Kinderseele in eine Starre oder Lähmung versetzt – ebenso wie im Zuge einer Vergiftung durch die Alkaloide des Stephankrauts Lähmungen des Nervensystems entstehen können. Die gesunde Reaktion, nämlich das Erleben und der Ausdruck der Wut, können aus dieser Starre befreien. Der Staphisagria-Mensch schleudert dann mit Vorliebe Gegenstände wie Geschirr – wenn er richtig explodiert oder schon mutiger ist, ansonsten eher Kooshbälle o.Ä. – in Richtung seines Gegenübers.

Noch bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein, war es in Adels- und Offizierskreisen nicht ungewöhnlich, nach einer Beleidigung Satisfaktion in einem Duell zu verlangen, um seine Ehre wieder herzustellen. Eine höchst „staphisagrische“ Art der Wiedergutmachung.

Erste Schritte in Richtung Heilung sind also oft das nach außen Bringen von Wut und Empörung. Immerhin bedeutet dies das Ende der Autoaggression. Es ist allerdings möglich, in dieser Art der Konfliktbewältigung zu verharren. Auch hier kann das Homöopathikum Staphisagria helfen, zu gegebener Zeit den nächsten Schritt zu tun. Dieser läge in der Annahme der eigenen Gefühle und der Anerkennung der eigenen Bedürfnisse. Der Schmerz und die Enttäuschung hinter der Wut wollen gesehen werden und die Wut selbst will integriert sein. Dann wird Konfliktfähigkeit statt Konfliktvermeidung möglich. Der Mensch gewinnt die Freiheit, sich auf tiefgehende Kontakte und Beziehungen einlassen zu können, ohne dabei seine Grenzen zu verlieren.

Geist und Gemüt

  • Liebenswürdig, sanft, unterdrückt
  • Lebt nach hohen Idealen
  • Beschwerden durch unterdrückte Wut
  • Beschwerden nach „Ehrverletzung“, Beleidigung und Demütigung
  • Leicht gekränkt und in seiner „Ehre“ verletzt
  • Sentimental und romantisch, mit starken sexuellen Fantasien, aber unterdrückter Sexualität
  • Geschichte von sexuellem Missbrauch
  • Langanhaltender, unterdrückter Kummer (DD: Natrium muriaticum, Causticum)
  • Depression
  • Geringes Selbstwertgefühl

Körper

  • Kopfschmerzen, mit der Empfindung einer Holzkugel, eines Holzklotzes
  • Kopfschmerzen, schlimmer durch (unterdrückte) Wut, schlimmer durch Wut, schlimmer
  • durch Masturbation
  • Gerstenkörner
  • Zahnschmerzen; vorzeitiger Zahnverfall
  • Bauchkolik seit OP; Ulcus pepticum
  • „Honeymoonzystitis“, Zystitis seit erstem Geschlechtsverkehr oder nach jedem Geschlechtsverkehr; Urethritis
  • Prostatitis; Phimose und Folge von Beschneidung
  • Kondylome und Tumoren der Genitalien
  • Nervöser Husten
  • Zittern aus Wut, Zuckungen, Chorea und Paresen
  • Warzen und Hauttumoren, OP-Wunden, Schnittverletzungen
  • Psoriasis nach Kummer und unterdrückter Wut
  • Schläfrig tagsüber, nachts schlaflos
  • Schlaflosigkeit, oft mit sexuellen Fantasien; Masturbation, um das Einschlafen zu erleichtern

Allgemein

  • Bei allen Schnittverletzungen
  • Vor und nach chirurgischen Eingriffen (Schnittverletzung)
  • Insektenstiche (DD: Ledum, Apis)
  • Verschlimmerung nach einem kurzen Schläfchen (v.a. nachmittags); unerholt nach Schlaf
  • Verschlimmerung nach einer Operation
  • Verschlimmerung durch Masturbation und Geschlechtsverkehr
  • Sykotisches Mittel (Folge von Gonorrhoe)