Die kürzlich veröffentlichte Studie „Isocaloric Fructose Restriction and Metabolic Improvement in Children with Obesity and Metabolic Syndrome“ untersuchte, ob die alleinige Einschränkung der Fruktosezufuhr bei gleichbleibender Kalorienmenge (isokalorisch) zu einem gesünderen Stoffwechsel bei übergewichtigen Kindern mit metabolischem Syndrom beitragen würde (Lustig, 2015). Die eingesparte Kalorienmenge wurde durch Stärke ersetzt, ein pflanzliches Polysaccharid.
Hintergrund der Studie war die Tatsache, dass Fruktose (Fruchtzucker) zwar bereits mit metabolischem Syndrom und Übergewicht in Verbindung gebracht wird, jedoch betrachteten bisherige Studien den Fruchtzucker nur als einen Faktor positiver Kalorienbilanz und Übergewicht oder gingen vom Verzehr sehr hoher Mengen aus.
Die Forscher wollten nun herausfinden, welchen gesundheitlichen Nutzen speziell das Weglassen der Fruktose haben würde, unabhängig von der gesamten Kalorienzufuhr.
Das metabolische Syndrom
Das metabolische Syndrom – auch tötliches Quartett genannt – bezeichnet die vier häufigsten Faktoren die neben dem Rauchen das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen wie Arteriosklerose und koronare Herzkrankheit erhöhen. Hierzu zählen:
- Übergewicht (v.a. Viszeralfett = Bauchfett)
- Hypertonie (Bluthochdruck)
- Hyperlipidämie (v.a. schlechtes LDL-/HDL-Cholesterin – Verhältnis)
- Diabetes mellitus
Umso mehr der vier Risikofaktoren gleichzeitig auftreten, desto höher ist das statistische Risiko für Herz-und Gefäßerkrankungen. Da Herzinfarkt, Schlaganfall und Co. zu den häufigsten Todesursachen in den Industrienationen zählen, wird ihrer Prävention eine hohe Bedeutung beigemessen.
Laut offiziellen Ernährungsempfehlungen bedeutet Prävention in diesem Sinne vor allem Abbau von Übergewicht und medikamentöse Behandlung der anderen Risikofaktoren. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt zudem eine fettarme Ernährung.
Laut Dr. Robert Lustig, der durch das Youtube-Video “Sugar: The bitter truth” bekannt wurde und auch an der hier besprochenen Studie mitwirkte, stellt eine zuckerreiche Ernährung ein weitaus größeres Gesundheitsproblem dar als eine fettreiche Ernährung. Diese Ansicht wurde auch in der kürzlich auf Arte ausgestrahlten Reportage “Die große Zuckerlüge” vertreten. Hiernach hatte die Lobby der Zuckerproduzenten seit den 1970er Jahren gezielt Wissenschaftler bestochen, um die falsche wissenschaftliche Meinung zu verbreiten, Zucker sei gesund, vor dem Verzehr von Fetten müsse man sich jedoch in Acht nehmen.
Fruktose-Reduktion verbessert alle Stoffwechselparameter
In der Studie sollten die Teilnehmer nun 9 Tage lang eine vergleichbare Menge an Eiweißen, Fetten und Kohlenhydraten zu sich nehmen. Einzig die Aufnahme von Fruchtzucker wurde von 28% auf 10% reduziert und der entsprechende Kalorienanteil durch Stärke ersetzt. Zu bemerken ist, dass nur künstlich zugesetzter und industriell verarbeiteter Fruchtzucker (Fruktose-Glukose-Sirup) weggelassen wurde, fruktosehaltiges Obst jedoch wie zuvor verzehrt werden durfte.
Die Ergebnisse waren erstaunlich. Blutdruck, Laktat- und Blutfettwerte sowie das potentiell schädliche LDL-Cholesterin verringerten sich signifikant. Auch die Glukosetoleranz und Insulinwerte verbesserten sich, was mit einem geringeren Diabetes Typ 2 – Risiko gleichzusetzen ist. Außerdem zeigte sich ein leichte Gewichtsabnahme und Reduktion des Körperfettanteils.
Die Forscher schlossen aus den Ergebnissen, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Zucker – hier speziell des Fruchtzuckers – unabhängig von seinem kalorischen Wert oder seinem Effekt auf das Gewicht seien. Weitere Studien wären notwendig um herauszufinden, ob eine Zuckerrestriktion alleine das metabolische Syndrom beeinflussen könnte und ob diese Effekte nicht nur kurz- sondern auch langfristig wirkten.
Die „guten“ und die „bösen“ Kohlenhydrate
Fruktose (Fruchtzucker) ist genau wie Glukose (Traubenzucker) ein Monosaccharid (Einfachzucker). Maltose (Malzzucker), Laktose (Milchzucker) und Saccharose (Rohrzucker) sind Disaccharide (Zweifachzucker). Disaccharide bestehen nur aus zwei Kohlenhydratmolekülen und sind damit fast genauso schnell zu verstoffwechseln wie die Monosachharide. Stärke (Speicherform in Pflanzen) und Glykogen (Speicherform bei Mensch, Tier und Pilzen) sind Polysaccharide (Mehrfachzucker) und bestehen aus mehr als 10 Kohlenhydratmolekülen.
Wenn wir die Speicherformen Stärke (vor allem in Getreiden und Gemüsen vorkommend) und Glykogen (im Fleisch) über die Nahrung zu uns nehmen, müssen sie erst mit der Hilfe des Enzyms Amylase aus Mundspeichel- und Bauchspeicheldrüse gespalten werden, bevor sie schließlich im Dünndarm resorbiert werden können. Dieser Zerkleinerungsprozess nimmt Zeit in Anspruch, sodass die Resorption entsprechend lange dauert und der Blutzuckerspiegel nur langsam aber dafür nachhaltig angehoben wird.
Demgegenüber sind Glukose und Fruktose sehr schnell verfügbar und belasten den Stoffwechsel jeweils auf ihre eigene Art und Weise. Glukose lässt den Blutzucker-Spiegel schnell steigen und belastet die Bauchspeicheldrüse indem die Insulinausschüttung anregt wird. Fruktose muss über die Leber verstoffwechselt werden und belastet bei übermäßigem Verzehr unsere Entgiftung- und Stoffwechselfabrik.
Glukose und die Blutzucker-Schaukel
Glukose lässt den Blutzucker-Spiegel schnell ansteigen und provoziert eine entsprechend hohe Insulinausschüttung. Seine Energie ist allerdings ebenso schnell verbraucht, der BZ-Spiegel sinkt wieder ab und wir bekommen einen Hiper auf die nächste Ladung Süßes.
Durch den schnellen Abfall des Blutzuckers nach dem Verzehr von Glukose kommt es außerdem zur Nachregulation im Zuckerstoffwechsel durch die Freisetzung von Cortisol aus den Nebennieren. Cortisol hilft bei der Glukoneogenese indem es die Bereitstellung von Fetten und Eiweißen zur Energiegewinnung fördert. Durch die hohe Beanspruchung von Bauchspeicheldrüse und Nebennieren bei zuckerreicher Ernährung steigt auf Dauer das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 und Nebennierenschwäche.
Fruktose als Ursache nicht-alkoholischer Fettleber
Neben einem übermäßigen Verzehr von Cholesterol und Transfettsäuren stellt Fruktose einen Risikofaktor für eine nicht-alkoholische Fettleber dar.
Dabei wird Fruktose gerne als eine gesunde Alternative zum Süßen angepriesen. Bei vielen Produkten wird damit geworben, dass sie nur natürliche Süße in Form von Fruchtzucker enthalten. Seine Vorteile scheinen auf der Hand zu liegen. So hat Fruktose im Vergleich zu Rohrzucker eine 20 % höhere Süßkraft und kann deshalb sparsamer eingesetzt werden. Die Kalorienmenge eines Lebensmittel kann so leicht reduziert werden, aber auch der Hersteller spart an Produktionskosten. Als gesund wird Fruktose auch deshalb dargestellt, weil sie die Insulinausschüttung nicht in die Höhe treibt, wie es die Glukose tut. Der Vorteil schlägt hier schnell in einen Nachteil um, denn aufgrund der niedrigen Insulinausschüttung wird auch kein Sättigungsgefühl erreicht wodurch dann mehr konsumiert wird.
Zudem können bei der Verstoffwechslung von Fruktose verschiedene Probleme auftreten. Zu den gravierendsten gehört sicherlich die Entwicklung einer Fettleber. Bei der Weiterverarbeitung von Fruktose in der Leber wird die Triglyceridsynthese angeregt und es kommt schneller zu einer Einlagerung von Fetten in der Leber aber auch in anderen Körperfettdepots. Zudem konnten Forscher zeigen, dass Fruktose in der Leber eine Stressantwort provoziert, die Entzündungen und Fibrosebildungen in der Leber begünstigt. Eine fruktose- und zugleich fettreiche Ernährung wäre damit besonders schädlich (Basaranoglu, 2013). Würde man sich hingegen nur zu fettreich ernähren, könne dies zwar zu Übergewicht und Fettleber mit leichten Entzündungen führen, schwerwiegende Komplikationen wie Leberzirrhose und Leberzellkrebs blieben jedoch aus.
Fruktoseunverträglichkeit
Eine hereditäre Fruktoseintoleranz, die auf einer genetischen Verwertungsstörung von Fruktose beruht, ist selten (1:130.000). Fruktose kann dann aufgrund einer Enzymstörung nicht in der Leber abgebaut werden und sammelt sich in den Zellen an. Erste Symptome treten meist schon bei Säuglingen auf, die zum ersten Mal fruktosehaltige Kost anstelle von Muttermilch bekommen. Erbrechen, Hypoglykämie (Unterzuckerung durch gestörte Blutzuckerregulation) und lebensbedrohliche Schockzustände können die Folge sein. Ein Gentest bringt den Nachweis des Enzymdefekts. Ist dieser positiv, muss ein lebenslanger völliger Fruktoseverzicht eingehalten werden.
Sehr viel häufiger ist intestinale Fruktoseintoleranz. Sie betrifft jeden Dritten Mitteleuropäer. Man spricht auch von einer Fruktosemalabsorption , da die Fruktose im Dünndarm nicht vollständig resorbiert werden kann und in den Dickdarm gelangt. Dort wird die Fruktose durch Dickdarmbakterien zu Kohlendioxid, Wasserstoff und Methan vergoren, was zu Symptomen wie Völlegefühl, Durchfall und Blähungen führt. Zusätzlich kann es zu Begleitsymptomen wie Kopfschmerzen und Schlappheit kommen, da aufgrund der Durchfälle auch Elektrolyte verloren gehen. Die Ursache für die Malabsorption kann in einer Störung oder einem Mangel der Fruktosetransportproteine (GLUT5) liegen, die Fruktose durch die Dünndarmwand transportieren. Auch eine zu schnelle Darmpassage der Fruktose – vegetativ, also Stress bedingt -> Reizdarm; durch gleichzeitige Aufnahme von reichlich Flüssigkeit; aufgrund von Entzündungen oder anderen Lebensmittelunvertäglichkeiten – führt dazu dass vermehrt Fruktose unverdaut in den Dickdarm gelangt und dort von Bakterien vergoren wird.
Die notwendigen Tests zur Fruktoseunverträglichkeit führen wir in unserer Praxis durch.
Aber auch die bloße Menge an Fruktose kann zur Malabsorption führen. Isst man zuviel Fruktose – wobei die tolerierte Menge sehr unterschiedlich ist – gelangt davon ein Teil auch beim Gesunden in den Dickdarm und kann dort Symptome verursachen. Jeder kennt den Kinderspruch: „Kirschen gegessen – Wasser getrunken – Bauchweh gekriegt – ins Krankenhaus gekommen – tot“. Das Problem ist weniger die Kombination von Kirschen und Wasser, sondern die schiere Menge an verzehrten Kirschen. Ich erinnere mich an einen Sommertag während meines Studiums in Heidelberg. Ich bin mit einem Freund auf eine Obstbaumplantage geschlichen. Wir haben uns in einen prall bestückten Kirschbaum gesetzt und uns 2 Stunden lang die Bäuche vollgeschlagen. Die unsäglichen Bauchschmerzen am Abend waren wie die Strafe für den Spitzbuben-Streich…
Von diesen Lebensmitteln sollte man die Finger lassen
Man sollte Zucker allgemein als Genussmittel betrachten und ihn wirklich nur in Maßen verzehren. Rohrzucker, also Haushaltszucker, mit dem viele Speisen gesüßt werden, ist ein Zweifachzucker mit je einem Molekül Glukose und einem Molekül Fruktose. Sein Verzehr führt zu einer schnellen Steigerung des Blutzuckers durch Glucose, aber auch zu vermehrter Fruktose im Stoffwechsel. Folge können bei übermäßigem Verzehr die oben genannten Probleme sein.
Besonders bedenklich sind industriell gefertigte Nahrungsmittel, die mit Fruktose angereichertem Sirup aus Maisstärke hergestellt werden. Meist wird dieser auf Verpackungen als Glukose-Fruktose-Sirup bezeichnet. Vor allem in den USA ist der sogenannte high fructose corn syrup (HFCS) beliebt, da er kostengünstig aus Maisstärke hergestellt werden kann. Aber auch Hierzulande wird er reichlich verwendet, was sich bei einer Umsetzung des Freihandelsabkommens TTIP aufgrund mangelnder Deklarationspflicht noch verstärken dürfte. Vor allem in Softdrinks kommt er in großen Mengen als Süßungsmittel zum Einsatz. Aber auch vielen Küchenprodukten wird Glukose-Fruktose-Sirup beigemischt. In meinem Kühlschrank habe ich ihn beispielsweise in der “Soya Cuisine” von alpro entdeckt, einem pflanzlichen Sahneersatz zum Kochen.
Smoothies – die fast gesunde Alternative
Keine Frage Smoothies sind super. Sie sind nicht nur gesund sondern glücklicherweise auch verdammt lecker. Einziges Problem – das was sie so lecker macht, ist oft der hohe Anteil an fruktosehaltigem Obst. Smoothies sind zwar wahre Vitamin-, Mineral- und Antioxidantienbomben und die im Obst enthaltenen Ballaststoffe machen die Fruktose insgesamt besser bekömmlich als den industriell gefertigten Fruktosesirup. Dennoch sollten Menschen mit einer geringen Fruktosetoleranz bei Smoothies mit zu hohem Obstanteil vorsichtig sein. Aber halt – die Dosis macht das Gift – demnach bleiben Smoothies die gesunde Alternative zu süßen Softdrinks wie Cola und Limo, wenn sie eben nur einen moderaten Anteil an Obst und damit Fruchtzucker enthalten. Also entweder nicht mehr als einen süßen Smoothie von 200ml am Tag verzehren oder Smoothies vorwiegend aus fruktosearmem Gemüse und geringerem Obstanteil herstellen.
In der ARD-Sendung “Der Haushalts-Check” – „Gesund auf Knopfdruck? Der große Smoothie-Test!“ wurde getestet ob Lifestyle-Mixer zur Herstellung von Smoothies halten was ihre Werbung verspricht. Beispielsweise behaupten die Hersteller, dass durch Pürieren von Obst und Gemüse in ihren Mixern die Nährstoffe besonders gut aus den Pflanzen gelöst würden, wodurch sie der Körper besser resorbieren könnte. Allerdings war im Test kein Mixer besser als herkömmliches Kauen beim Herauslösen von Nährstoffen aus den Pflanzen. Man war sich jedoch einig, dass man mit Hilfe von Smoothies auch kaufaulen Mitbürgern zu ihren von der DGE empfohlenen 5 Portionen Obst und Gemüse am Tag verhelfen könne. Nur eine Labormitarbeiterin gab während einer der Tests in einem Nebensatz zu bedenken, dass außer den vielen Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen doch recht viel Fruktose in den Smoothies enthalten sei. Leider wurde dieser wichtige Punkt nicht wieder aufgegriffen. Man wollte die gute Laune der Sendung wohl nicht trüben.
Damit die gute Laune auch jetzt nicht absinkt, zum Schluss noch ein Rezept für einen fruktosearmen grünen Smoothie:
- 250 ml Wasser
- 100g Feldsalat oder Spinat
- 1 Bund Petersilie
- 1 Avocado
- 1/2 Gurke
- etwas Salz
- je nach Geschmack und Laune zusätzlich ein Löffel Superfoods wie Weizen- oder Gerstengras, Spirulina- oder Chlorellapulver
- wer auf ein wenig Süße nicht verzichten möchte, kann etwas orange Farbe in Form einer Möhre hinzumischen
Quellen:
Lustig et al: „Isocaloric Fructose Restriction and Metabolic Improvement in Children with Obesity and Metabolic Syndrome“ („Isokalorische Fruktose-Einschränkung und metabolische Verbesserung bei Kindern mit Übergewicht und metabolischem Syndrom“). Obesity (2015) 00, 00–00. doi:10.1002/oby.21371 www.obesityjournal.org
Feral et al: Dietary approach in the treatment of nonalcoholic fatty liver disease. (Dietätischer Ansatz in der Behandlung der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung) World J Hepatol. 2015 Oct 28;7(24):2522-34. doi: 10.4254/wjh.v7.i24.2522. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26523205
Basaranoglu et al: Fructose as a key player in the development of fatty liver disease. (Fruktose als ein Schlüsselspieler in der Entwicklung der Fettleber-Erkankung) World J Gastroenterol. 2013 Feb 28;19(8):1166-72. doi: 10.3748/wjg.v19.i8.1166. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23482247
Arte: “Die große Zuckerlüge” http://www.arte.tv/guide/de/054774-000/die-grosse-zuckerluege
1 thoughts on “Fruktose begünstigt metabolisches Syndrom”
Ein wirklich super Artikel, vielen Dank!
Ein schöner Rundumschlag zum Thema Zucker, besser geht’s kaum, Kompliment! 🙂