Harnwegsinfekte sind lästig und oft schmerhaft. Während fast jeder in seinem Leben schon einmal die unangenehme Erfahrung machte, entwickelt sich das Problem bei manchen zu einem chronischen Leiden. Die Betroffenen sind häufig frustriert, weil sie sich in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt fühlen und immer wieder Antibiotika nehmen müssen. Dazu kommen die Nebenwirkungen der Antibiotika, die auf Dauer den Organismus schwächen.
Was kann man tun, um sich von den unangenehmen Symptomen auf natürliche und nebenwirkungsfreie Art zu befreien?
Kurzer Überblick über die Anatomie von Nieren und Harnwegen
Es gibt geschlechtsspezifische Unterschiede in den Ursachen und der Häufigkeit von Harnwegsinfekten, die sich durch die Anatomie der Harnorgane erklären. Bei Frauen und Männern rechnet man die beiden Nieren, die beiden Harnleiter, sowie die Harnblase und Harnröhre zu den Harnorganen. Während die Nieren durch Filterung des Blutes den Harn produzieren, wird dieser noch in den Nierenbecken gesammelt und in der Harnblase gespeichert.
Da die Nierenbecken nicht mehr an der eigentlichen Produktion des Urins beteiligt sind, sondern diesen vielmehr weiterleiten, zählt man sie schon zu den Harnwegen. Über die beiden Harnleiter wird der Urin dann zur Harnblase transportiert, die im Prinzip ein mit Schleimhaut ausgekleideter Hohlmuskel ist. Das Fassungsvermögen der Harnblase beträgt etwa 800 ml. Ab ca. 300 ml verspüren wir einen Harndrang und möchten auf Toilette.
Die Harnröhre von Mann und Frau unterscheidet sich durch ihre Länge und ihren Verlauf. Während die Harnröhre der Frau nur zirka 4 cm lang ist und im Scheidenvorhof mündet, verläuft die Harnröhre des Mannes durch den gesamten Penis und mündet auf der Eichelspitze. Somit addiert sich zu den 4 cm die Penislänge durch den die Harnröhre verläuft. Dadurch haben Männer einen besseren Schutz vor Blasenentzündungen (Zystitis). Denn eingewanderte Bakterien müssen einen längeren Weg überwinden, um die Harnblase zu gelangen.
Aufgrund der kürzeren Harnblase haben Frauen häufiger Blasenentzündungen. Auch von Nierenbeckenentzündungen (Pyelonephritis) sind Frauen aus demselben Grund öfter betroffenen, da diese meist durch sogenannte „aufsteigende Infektionen“ verursacht werden. Besonders eifrige Bakterien nutzen eine geschwächte Abwehrlage und klettern die 25-30 cm langen Harnleiter hinauf und nisten sich im Nierenbecken ein. Während eine Zystitis normalerweise nur lokale Schmerzen beim Wasserlassen macht, so kann eine Nierenbeckenentzündung neben Schmerzen im Nierenlager auch Allgemeinsymptome wie Fieber und Abgeschlagenheit produzieren. Sie sollte in jedem Fall behandelt werden – ggf. auch durch Antibiotika – um eine entzündliche Schädigung der Nieren zu verhindern.
Ein wenig ausgleichende Gerechtigkeit gibt es zwischen den Geschlechtern. Denn während Frauen öfter unter Blasenentzündungen leiden, haben Männer häufiger schmerzhafte Entzündungen der Harnröhre.
Ursachen von Harnwegsinfekten
Harnwegsinfekte werden in den allermeisten Fällen durch Bakterien, manchmal auch durch Pilze oder Viren verursacht.
Da bei Frauen die Scheidenöffnung und die Öffnung der Harnröhre nahe beieinander liegen, kann es durch eine veränderte Scheidenflora unmittelbar zu einer Infektion der Harnwege kommen. Diese kann scheinbar ohne äußeren Grund oder auch im Zusammenhang mit der monatlichen Regel auftreten. Auch bei einer unachtsamen Intimpflege kann es zur Verschleppung von Darmbakterien in die Harnröhre kommen. Nicht zuletzt sind einige Frauen anfällig für wiederkehrende Blasenentzündungen nach Geschlechtsverkehr, auch „Honeymoon-Zystitis“ genannt. Durch das Liebesspiel können wiederum Bakterien in die Harnwege gelangen. Dabei handelt es sich in vielen Fällen gar nicht um eine übertragbare Geschlechtskrankheit – die bei Frau zudem vor allem die Vagina, sowie äußere und innere Geschlechtsorgane betrifft – sondern um eher harmlose Erreger, die von einem gesunden Immunsystem und bei einer intakten Schleimhautflora meist neutralisiert werden.
Bei Männern ist die häufigste Ursache für Harnwegsinfekte ungeschützter Geschlechtsverkehr. Ursache können übertragbare Geschlechtskrankheiten sein, aber auch Darmbakterien bei entsprechenden Sexualpraktiken. Das Tückische ist, dass die auslösenden Bakterien bei Frauen häufig keine deutlich wahrnehmbaren Symptome machen und unbemerkt weitergegeben werden. Bei Männern verlaufen Entzündungen durch zum Beispiel Chlamydien oder Gonokokken zwar selten symptomlos, aber Bakterien können nach dem Verschwinden der Symptome in Nebenhoden oder Prostata persisitieren und bei weiteren Sexualpartnern für Ansteckungen sorgen.
D-Mannose bindet Bakterien in den Harnwege und förderte ihre Ausscheidung
D-Mannose, eine natürliche Zuckerform, zeigte in einer kroatischen Studie eine ebenso gute Schutzwirkung vor rezidivierenden Harnwegsinfekten wie das Antibiotikum Nitrofurantoin. Und erfreulicherweise zeigte es deutlich weniger Nebenwirkungen als sein chemischer Konkurrent. Wen wundert´s? Die Ergebnisse beziehen sich auf eine 6-monatige Prophylaxe mit täglich 2 Gramm D-Mannose Pulver. In der randomisierten Studie gab es auch eine Kontrollgruppe, die deutlich häufiger Rezidive zeigte. Somit scheint D-Mannose eine einfache und praktisch nebenwirkungsfreie Form der Prophylaxe darzustellen (Kranjcec, 2014).
Die Wirkung von D-Mannose erklärt sich durch die Fähigkeit, Bakterien zu binden. Diese können dann nicht an die Schleimhäute im Urogenitaltrakt anheften und in diese eindringen, sondern werden gemeinsam mit dem Zucker über den Urin ausgeschieden.
Cranberry schützt die Schleimhäute der Harnwege
Kranbeeren in Form Beeren oder Saft haben eine prophylaktische Wirkungen gegenüber Harnwegsinfekten. Ihr schützender Effekt wurde von vielen Anwendern gelobt und konnte in verschiedenen Studien bestätigt werden. Wie die Wirkung zustande kommt, war lange Zeit nicht klar. Inhaltsstoffe der sauren Moosbeere verhindern offenbar ein Anheften der Bakterien an die Schleimhaut der Harnwege, wie spanische Forscher in einer in vitro Studie zeigen konnten (de Llano, 2015). Besonders effektiv ist der Schutz gegenüber E. coli Bakterien. Diese gehören eigentlich zu den physiologischen Darmkeimen und stellen bei Verschleppung in die Harnwege die häufigste bakterielle Ursache für unkomplizierte Harnwegsinfekte dar.
Trockener Kranbeerenextrakt gemeinsam mit D-Mannose und zwei physiologischen Milchsäurestämmen konnte signifikant die Beschwerden einer akuten Harnwegsinfektion bei jungen Frauen in einer italienischen Studie lindern (Vicariotto, 2014). Dies legt nahe, dass eine Kombination einer immunsystemstärkenden probiotischen Kur mit schleimhautschützenden Substanzen sinnvoll ist.
Probiotika sorgen für eine gesunde Schleimhautflora
Die Darmflora und schleimhautschützende Immunfunktionen stehen in enger Verbindung (Kaetzel, 2014). Dabei bleiben die Auswirkungen nicht auf den Darm begrenzt. Bei einer gestörten Darmflora kommt es zu einer verminderten Bildung und Fehlfunktion von schützenden Antikörpern, die in den Schleimhäuten gebildet werden (sekretorisches Immunglobulin A, sIgA). Fehlt der Schutz, kommt es nicht nur zu Entzündungen und Erkrankungen des Darms, sondern auch zu einer vermehrten Infektneigung und einer größeres Anfälligkeit für Harnwegsinfekte.
Speziell für Frauen hat sich in mehreren Studien eindrücklich gezeigt, wie vaginal verabreichte Probiotika in der Lage sind, die Scheidenflora aufzubauen. Die natürliche Flora bietet dann einen starken Schutz gegen krankhafte Bakterien (Vicariotto, 2014) sowie gegen unangenehme Pilzinfektionen (Vicariotto, 2012). Als hilfreich erwiesen sich verschiede Stämme von Milchsäurebakterien, nämlich Lactobacillus fermentum, Lactobacillus plantarum und Lactobacillus acidophilus (Vicariotto 2012, 2014) (Murina, 2014). Mehr noch, auch Harnwegsinfektionen werden somit seltener, denn häufig werden diese bei Frauen durch eine krankhaft veränderte Vaginalflora hervorgerufen (Gorbachinsky, 2014). Ein positiver Nebeneffekt ist zudem, dass auch Sexualpartner geschützt werden und auch ein immer wiederkehrendes gegenseitiges Anstecken („Ping-Pong-Infektion“) zwischen den Partnern verhindert wird. Dies ist natürlich kein automatischer Schutz gegen gefährliche übertragbare Geschlechtskrankheiten, die am besten durch den Gebrauch von Kondomen zu verhindern sind.
Antientzündliche Wirkung von Kurkuma
Kurkuma, der Gelbwurz, bekannt aus der indischen Küche und Bestandteil der Würzmischung der heimischen Currywurst, wird längst auch in Kapselform verkauft aufgrund seiner stark antientzündlichen Eigenschaften. Kurkuma wirkt indirekt auf chronische Entzündungen des Harnapparats, indem es den Darm repariert und das Eindringen von entzündungsfördernden Zytokinen und Lipopolysachhariden verhindert (Ghosh, 2014). Proinflammatorische Zytokine werden aber auch direkt durch Curcumin – den wesentlichen Wirkstoff von Kurkuma – reduziert, wodurch Entzündungen im Harnapparat minimiert werden (Zhong, 2011).
Die Wirkung von Kurkuma ist dabei nicht direkt gegen Bakterien gerichtet, sondern gegen entzündliche Prozesse im Gewebe, die durch eine Infektion hervorgerufen werden und chronifizieren können. Damit macht die Anwendung von Kurkuma während einer akuten Infektion parallel zu einem antibakteriellen Mittel Sinn, um gewebeschädigende Effekte zu verhindern oder auch als Nachsorge nach einer Antibiotikabehandlung. In chronischen Fällen kann es neben dem Wiederaufbau der gesunden Darm- und Vaginalflora zur Regeneration der Schleimhäute der Harnwege und des Nierenparenchyms gegeben werden.
Kolloidales Silber nur bedingt geeignet
Kolloidales Silber ist eine beliebte Alternative zu Antibiotika. Nicht ganz zu unrecht. Denn seine antibakterielle Wirkung ist unbestritten. Bei einem akuten Harnwegsinfekt kann es eingesetzt werden. Zur Prophylaxe chronisch rezidivierender Entzündungen ist es allerdings nicht geeignet. Was nämlich in Werbeaussagen zu dem angeblich nebenwirkungsfreien Antibiotikaersatz nicht erwähnt wird, ist dass es sich um Silbernanopartikel handelt. Nanopartikel dringen tief ins Gewebe ein und können sich hier ansammeln. Was bei seltenem Gebrauch meist keine Probleme bereitet, kann bei längerer und regelmäßiger Anwendung zu einer toxisch wirksamen Ansammlung von Silbernanopartikeln in den Organen führen (Kim, 2010).
Ich persönlich rate daher im Allgemeinen nicht zu einer Einnahme von kolloidalem Silber. Ausnahme sind Fernreisen, auf denen keine ausreichende medizinische Versorgung zur Verfügung steht oder bei schon vorhandener Resistenzbildung gegenüber Antibiotika.
Bitte beachten Sie, dass die hier beschriebenen Tipps vor allem zur Prophylaxe immer wiederkehrender Harnwegsinfekte und der Nachsorge dieser dienen. Bei akuten Beschwerden gehen Sie bitte zu Ihrem Arzt oder Heilpraktiker!
Ich hoffe, diese Tipps waren hilfreich für Sie und Sie bleiben damit in Zukunft vor unangenehmen Harnwegsinfekten verschont. Wenn Sie Unterstützung wünschen zur Analyse Ihrer Darmflora und der Einnahme von Probiotika, berate ich Sie gerne.
Quellen:
De Llano et al: Anti-Adhesive Activity of Cranberry Phenolic Compounds and Their Microbial-Derived Metabolites against Uropathogenic Escherichia coli in Bladder Epithelial Cell Cultures. (Anti-haftende Aktivität von phenolischen Bindungen der Kranbeere und ihrer mikrobiell stämmigen Stoffwechselprodukte gegen uropathogene Echerichia coli in epithelialen Zellkulturen der Harnblase.) Int J Mol Sci. 2015 May 27;16(6):12119-30. doi: 10.3390/ijms160612119. (Link zur Studie)
Gorbachinsky et al: Altered perineal microbiome is associated with vulvovaginitis and urinary tract infection in preadolescent girls. (Verändertes Mikrobiom im Bereich des Damms von Präadoleszenten Mädchen mit Vulvovaginitis und Harnwegsinfekten) Ther Adv Urol. 2014 Dec;6(6):224-9. doi: 10.1177/1756287214542097. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25435916
Ghosh et al: Curcumin and chronic kidney disease (CKD): major mode of action through stimulating endogenous intestinal alkaline phosphatase. (Curcumin und chronische Nierenerkrankung: Hauptwirkungsweise durch Stimulation endogener intestinaler alkalischer Phosphatase) Molecules. 2014 Dec 2;19(12):20139-56. doi: 10.3390/molecules191220139. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25474287
Kaetzel: Cooperativity among secretory IgA, the polymeric immunoglobulin receptor, and the gut microbiota promotes host-microbial mutualism. (Zusammenwirken von sekretorischem IgA, dem polymerischen Immunglobulinrezeptor und den Darmmikrobiota fördert die mutalistische Symbiose mit dem Wirts) Immunol Lett. 2014 Dec;162(2 Pt A):10-21. doi: 10.1016/j.imlet.2014.05.008. Epub 2014 May 27. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24877874
Kim et al: Subchronic oral toxicity of silver nanoparticles. (Subchronische orale Toxizität von Silber-Nanopartikeln) Part Fibre Toxicol. 2010 Aug 6;7:20. doi: 10.1186/1743-8977-7-20. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20691052
Kranjcec et al: D-mannose powder for prophylaxis of recurrent urinary tract infections in women: a randomized clinical trial. (D-Mannosepuder zur Prophylaxe wiederkehrender Harnwegsinfekte bei Frauen. Eine randomisierte klinische Studie.) World J Urol. 2014 Feb;32(1):79-84. doi: 10.1007/s00345-013-1091-6. Epub 2013 Apr 30. Department of Medical Biochemistry, Zabok General Hospital, Zabok, Croatia. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=Bojanna+Kranjcec+d-mannose
Murina et al: Can Lactobacillus fermentum LF10 and Lactobacillus acidophilus LA02 in a slow-release vaginal product be useful for prevention of recurrent vulvovaginal candidiasis?: A clinical study. (Können Lactobacillus fermentum LF10 und Lactobacillus acidophilus LA02 in einem sich langsam freisetzenden vaginalen Produkt nützlich sein für die Prävention wiederkehrender vulvovaginaler Candidiasis?: Eine klinische Studie) J Clin Gastroenterol. 2014 Nov-Dec;48 Suppl 1:S102-5. doi: 10.1097/MCG.0000000000000225. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25291115
Vicariotto et al: Effectiveness of the two microorganisms Lactobacillus fermentum LF15 and Lactobacillus plantarum LP01, formulated in slow-release vaginal tablets, in women affected by bacterial vaginosis: a pilot study. (Die Effektivität der beiden Mikroorganismen Lactobacillus fermentum LF15 und Lactobacillus plantarum LP01, in sich langsam freisetzenden vaginalen Tabletten, bei Frauen mit bakterieller Vaginosis: Eine Pilotstudie.) J Clin Gastroenterol. 2014 Nov-Dec;48 Suppl 1:S106-12. doi: 10.1097/MCG.0000000000000226. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25291116
Vicariotto et al: Effectiveness of the association of 2 probiotic strains formulated in a slow release vaginal product, in women affected by vulvovaginal candidiasis: a pilot study. (Die Effektivität von 2 probiotischen Stämmen, in sich langsam freisetzenden vaginalen Tabletten, bei Frauen mit vulvovaginaler Candidiasis: Eine Pilotstudie.) J Clin Gastroenterol. 2012 Oct;46 Suppl:S73-80. doi: 10.1097/MCG.0b013e3182684d71. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22955364
Vicariotto: Effectiveness of an association of a cranberry dry extract, D-mannose, and the two microorganisms Lactobacillus plantarum LP01 and Lactobacillus paracasei LPC09 in women affected by cystitis: a pilot study. (Die Effektivität einer Verbindung von getrocknetem Kranbeerenextrakt, D-Mannose und den beiden Mikroorganismen Lactobacillus plantarum LP01 und Lactobacillus paracasei LPC09 bei Frauen mit Zystitis): Eine Pilotstudie.) J Clin Gastroenterol. 2014 Nov-Dec;48 Suppl 1:S96-101. doi: 10.1097/MCG.0000000000000224. (Link zur Studie)
Zhong et al: Curcumin attenuates lipopolysaccharide-induced renal inflammation. (Curcumin dämpft lipopolysaccharid-verursachte Nierenentzündungen.) Biol Pharm Bull. 2011;34(2):226-32. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21415532