Gute Entgifter – schlechte Entgifter
Vor der Erstveröffentlichung dieses Blog-Artikels am 9. Januar 2016 hatte ich in der Online-Ausgabe von The Guardian einen Artikel gelesen mit dem Namen „You can´t detox your body, it's a myth. So how do you get healthy?“ (Mohammadi, 2014). Darin kommt Edzard Ernst, emeritierter Professor für komplementäre Medizin an der Exeter Universität im Südwesten Englands, zu Wort und gibt eine simple und einfache Formel zum Besten: „There are two types of detox: one is respectable and the other isn’t.“ Zu Deutsch: „Es gibt zwei Arten der Entgiftung: Die eine ist respektabel, die andere ist es nicht.“
Das klingt einprägsam und entspricht auch genau dem schulmedizinischen Standarddenken. An diesem Denken hat sich bis heute (Stand September 2024), mehr als 8 Jahre später, nichts geändert. Dieses Schwarz-weiß-Denken entbehrt aus meiner Sicht grundlegender wissenschaftlicher Logik.
Edzard Ernst ist nicht der einzige Wissenschaftler auf der Welt, der sich gefragt hat, wie der menschliche Organismus mit Giftstoffen umgeht. Andere Wissenschaftler kamen dabei zu differenzierteren Schlüssen als er.
Mir persönlich fällt es nicht so schwer wie der Amalgam-Industrie, den Zahnärzteverbänden und deren Lobbyisten zu glauben, dass Quecksilber und andere Schwermetalle für den Menschen hochtoxisch sind und beispielsweise in Zahnfüllungen mal gar nichts zu suchen haben. Dennoch ist mir durchaus bewusst, dass es Amalgamträger gibt, die völlig gesund und beschwerdefrei durchs Leben laufen. Es sei ihnen gegönnt.
Allerdings würde ich deshalb nicht darauf schließen, dass Amalgam für alle ungefährlich ist. Das wäre erstens unwissenschaftlich, und zweitens widerspricht es zahlreichen Studienergebnissen und dem gesunden Menschenverstand. Allerdings stelle ich mir eine Frage, die sich auch jeder Wissenschaftler auf der Suche nach einer wirklichen Antwort stellen wird: nämlich, WARUM?
Wieso und weshalb werden einige Menschen durch eine Gift- und Schwermetallbelastung krank und andere nicht? Entgiften die einen etwa „respektabel“ und die anderen nicht? Gibt es „Gute Entgifter und schlechte Entgifter“?
Biotransformation
Entgiftung oder genauer gesagt Biotransformation findet in jedem gesunden Organismus statt. Die Umwandlung von Stoffen durch chemische Reaktionen beschränkt sich dabei nicht nur auf das unschädlich machen von Schadstoffen, sondern ist ein allgemeines Kennzeichen des Stoffwechsels.
Auch im Aufbau von Körperstrukturen, Hormonen und Enzymen findet Biotransformation statt. Selbst wenn der Körper Stoffe, Körperzellen oder gar Schadstoffe abbaut, scheidet er nur das aus, was er nicht mehr recyceln und wiederverwenden kann.
Die Homöostase - das natürliche Fließgleichgewicht innerhalb des Organismus sowie zwischen Organismus und Umwelt - beeinflusst, wie viel von welchem Stoff im Körper behalten und wie viel ausgeschieden wird. Genauso beeinflusst die Menge an aufgenommenen Stoffen – ob Nährstoffe oder Giftstoffe – sowie die Leistung der körpereigenen Biotransformation, wie der Körper mit den angebotenen Substanzen umgeht. Im Folgenden soll der Teil der Biotransformation beleuchtet werden, der sich mit Entgiftung und Ausscheidung von Stoffen befasst.
Wie funktioniert Entgiftung?
Physiologische Stoffwechselendprodukte
Viele der sogenannten Giftstoffe fallen im Rahmen physiologischer Stoffwechselprozesse an und werden in Form von Stoffwechselendprodukten ausgeschieden. Das betrifft insbesondere die drei harnpflichtigen Substanzen Harnsäure, Harnstoff und Kreatinin.
Harnsäure ist das Endprodukt des Purinstoffwechsels (Abbau von Zellen/ Zellkernen). Bei einer Störung im Purinabbau sammelt sich Harnsäure in Gelenken und Geweben an und verursacht Entzündungen, die wir als Gicht bezeichnen. Neben genetischen Ursachen kann eine purinreiche Ernährung (viel Fleisch, v.a. Innereien, Hülsenfrüchte) die Gicht auslösen. Eine ausreichende Trinkmenge hilft jedoch, die überschüssige Harnsäuremenge besser auszuscheiden. Wasser hilft also beim detoxen!
Harnstoff entsteht aus giftigem Ammoniak, das wiederum aus dem Stickoxid abgebauter Aminosäuren freigesetzt wird. Bei extrem eiweißreicher Ernährung (z.B. bei Bodybuildern) oder Störungen des Abbaus von Ammoniak (bspw. bei Vitamin B6-Mangel infolge einer HPU), reichert sich zu viel giftiges Ammoniak im Körper an und kann die Zellen schädigen.
Kreatinin ist ein Endprodukt des Muskelstoffwechsels und muss ebenfalls über die Nieren ausgeschieden werden. Bei Schädigung der Nieren (z.B. durch Schwermetalle) sammeln sich die harnpflichtigen Stoffe im Körper an und es kommt zu einer Urämie. Der Mensch braucht dann möglicherweise eine künstliche Form des Entgiftens – eine Dialyse – sollte die Nierenerkrankung nicht behoben werden können.
Entgiftungsenzyme haben eine Schlüsselrolle
Eine Schlüsselrolle in der Biotransformation und Entgiftung übernehmen zahlreiche spezialisierte Enzyme. Erst sie machen die Transformation vieler Stoffe möglich. Fehlen sie oder sind sie in ihrer Funktion eingeschränkt, sammeln sich Giftstoffe im Körper an, stören die gesunde Funktion unserer Zellen und machen uns krank.
Funktionierende Enzyme sind wiederum von einer intakten DNS (Erbsubstanz) abhängig, denn der Körper bildet sie entsprechend seiner genetischen Information größtenteils selbst. Bei einem „schlechten Entgifter“ gibt es möglicherweise Polymorphismen, das heißt Veränderungen innerhalb von Genen, die spezielle Enzyme codieren. Oder es besteht ein Mangel an Co-Faktoren – wie Aminosäuren, Vitamine oder Spurenelemente – die als Bausteine und Co-Enzyme die Herstellung lebensnotwendiger Entgiftungsenzyme überhaupt erst möglich machen.
Störungen im Entgiftungssystem, ein Mangel oder Schaden an bestimmten Enzymen, sowie Defizite der Co-Faktoren lassen sich labormedizinisch nachweisen. Durch eine vitalstoffreiche Ernährung und eine gezielte Nahrungsergänzung können Defizite ausgeglichen und die Entgiftungsleistung positiv beeinflusst werden.
Wind aus den Segeln der Detox-Gegner
Die Aussage von Edzard Ernst, der von „respektabler Entgiftung und solcher, die es nicht ist“ spricht, reduziert auf einen Idealzustand. Ja, der Körper hat ständig mit Giftstoffen zu tun. Viele davon entstehen sogar im physiologischen Stoffwechsel, wie oben beschrieben. Unser Körper kann diese wunderbar selbst entgiften, wenn er gesund ist. Und ja, schwere Vergiftungen sind relativ selten, können tödlich sein und sollten medizinisch behandelt werden. Aber es ist naiv zu glauben, dass es abseits vom gesunden Idealzustand oder schwersten Vergiftungen keine inneren und äußeren Faktoren gibt, die unsere Entgiftungssysteme beeinflussen.
Erstens variiert wie bereits erwähnt die Funktion der Entgiftungsenzyme von Person zu Person. Neben genetischen Schäden der Entgiftungsenzyme wird deren Funktion maßgeblich von über die Nahrung aufgenommenen Co-Faktoren beeinflusst – wie schwefelhaltige Aminosäuren, Vitamin B6, Zink, Mangan, Selen u.v.m.
Zweitens stellen von außen zugeführte Fremdstoffe (Xenobiotika), synthetische Substanzen (Medikamente, Pflanzenschutzmittel, Konservierungsmittel, etc.) sowie Schwermetalle eine zunehmend größere Belastung dar. Die Knochen des heutigen zivilisierten Menschen enthalten 1000 Mal mehr Blei als die des Urmenschen (Mutter, 2009). Weichmacher aus Plastikflaschen und Pestizide aus Lebensmitteln schwimmen in unserem Blut. In unseren Kieferknochen und Organen sammelt sich das Quecksilber aus Amalgamfüllungen und Impfseren.
Damit der Körper nicht in kürzester Zeit unter dieser Giftbelastung zusammenbricht, muss er durchgehend neue Entgiftungsenzyme mithilfe der nötigen Co-Faktoren herstellen. Für jedes einzelne Molekül eines Giftstoffes, werden Vitamine, Spurenelemente oder Aminosäuren verbraucht, die bereit sind, mit diesen Stoffen Bindungen einzugehen, sodass die toxischen Komplexe ausgeschieden werden können.
Führen wir diese Vitalstoffe nicht mit der Nahrung zu, können wir Schadstoffe nicht mehr ausreichend binden. Immer mehr Gifte sammeln sich dann in unseren Geweben und Organen an und schädigen unsere Zellen, was sich in den unterschiedlichsten Krankheitsbildern zeigt. Um dies zu verhindern, sollten wir die weitere Aufnahme von Giftstoffen so gut es geht reduzieren. Eine vitalstoffreiche Ernährung, Detox-Kuren und eine Nahrungsergänzung mit den Co-Faktoren der Entgiftung unterstützen die Biotransformation und Ausscheidung von Giftstoffen.
Drei Phasen der Entgiftung
Phase-1-Reaktionen
Im ersten Schritt der Entgiftung werden chemische Stoffe funktionalisiert, das heißt, sie werden reaktionsfreudiger und besser transportierbar.
Hierzu werden Enzyme wie die Cytochrom-P450-Enzyme gebraucht, die von Häm (roter Blutfarbstoff) abhängig sind. Bei Stoffwechselstörungen des Häm– wie sie bei der Porphyrie oder Hämopyrrollaktamurie (HPU) vorkommen – ist die Bildung der Enzyme gestört und es kommt zu Entgiftungsstörungen.
Ein anderes wichtiges Enzym der Phase 1 ist die Glutathionperoxidase, die von dem Spurenelement Selen abhängig ist. Fehlt Selen in der Nahrung oder wird es durch eine Schwermetallbelastung vermehrt verbraucht, kommt die Phase-1-Entgiftung ins Stocken. Selendefizite finde ich bei 80-90 % meiner Patienten.
Zu beachten ist, dass in Phase 1 zunächst auch potenziell schädliche Stoffe entstehen können, die erst durch ausreichend vorhandene Co-Faktoren in Phase 2 weiter entgiftet werden können.
Video zur Phase-1 der Entgiftung
Phase-2-Reaktionen
Die Zwischenprodukte aus Phase 1 werden an Transportstoffe gekoppelt, was auch Konjugation genannt wird. Dadurch werden die meisten Stoffe wasserlöslich und können dann über die Nieren ausgeschieden werden. Stoffe, die nur in Fett gut löslich sind, gelangen von der Leber über die Galle in den Darm und können über den Stuhl ausgeschieden werden. Eine Wiederaufnahme dieser Gifte über den entero-hepatischen Kreislauf zwischen Darm und Leber kann beispielsweise durch die Einnahme von Chlorella-Algen oder medizinischer Kohle verhindert werden.
Für die Phase-2-Entgiftung werden unter anderem (zum Teil schwefelhaltige) Aminosäuren gebraucht. Hierzu gehören Glycin, Glutamin und Cystein (schwefelhaltig), die zusammen Glutathion bilden. Glutathion ist eines der wichtigsten Antioxidantien, das in fast allen Zellen vorkommt. Glutathion wiederum braucht funktionierende Enzyme, die Glutathion-S-Transferasen, damit es überhaupt an die Giftstoffe koppeln und somit wirken kann. Die Aktivität der Glutathion-S-Transferase kann ganz einfach und kostengünstig im Labor getestet werden und liefert einen ersten Eindruck zur Entgiftungskapazität. Aufwendiger ist die Testung der Gene, welche die Entgiftungsenzyme kodieren.
Eine weitere Aminosäure ist Methionin, das zu S-Adenosylmethionin (SAM) umgebaut wird. Hierfür werden Magnesium, Kobalt (aus Vitamin B12/ Cobalamin) und Mangan benötigt. SAM ist wichtig für die Methylierung von Stoffen, was einerseits zur Entgiftung, andererseits aber auch zum Aufbau von Neurotransmittern gebraucht wird.
Zu den Phase-2-Reaktionen gehört auch die Konjugation von Stoffen mit Acetyl- und Methylgruppen. Dementsprechend kann beispielsweise Methylcobalamin (aktive Formen des Vitamin B12) zur Phase-2-Entgiftung beitragen. Dazu später mehr.
Video zur Phase-2 der Entgiftung
Phase-3-Reaktionen
In Phase 3 finden Transportprozesse in Blut, Lymphe und mittels spezieller Transportproteine statt. Letztere nehmen im Blut andere Stoffe „huckepack“ oder schleusen sie als Transmembranproteine durch die Zellmembran nach draußen. Genetische Defekte der Tunnelproteine oder eine Schädigung durch Schwermetalle und andere Gifte kann das Ausschleusen von Giften aus den Zellen behindern.
Auch die Regeneration von Glutathion, das heißt die Umwandlung des oxidiertem Glutathion (GSSG) zum reduzierten wirksamen Glutathion (GSH) findet in Phase 3 statt.
Und nicht zuletzt ist eine gesunde Leber- und Nierenfunktion nötig, damit giftige Stoffe sicher gebunden und ausgeschieden werden können. Bei eingeschränkter Funktion der beiden zentralen Entgiftungsorgane kann es im Extremfall zu hepatischem Koma oder zur Urämie kommen.
Video zur Phase-3 der Entgiftung
Gute und schlechte Entgifter
Schaut man sich die unterschiedlichen Phasen der Biotransformation an, dann wird schnell klar, dass Störungen innerhalb dieser Phasen „gute und schlechte Entgifter“ hervorrufen. Das legt den Schluss nahe, dass jeder Mensch unterschiedlich gut mit Umweltgiften klarkommt.
Somit können bestimmte Grenzwerte von Schadstoffen in der Atemluft, Rückstände in Trinkwasser und Nahrung oder auch Amalgamfüllungen von dem Einen toleriert werden, während sie den Nächsten krank machen.
Im Folgenden sollen einige Entgiftungsstörungen näher beleuchtet werden. Danach sollte kein Zweifel mehr daran bestehen, dass Entgiften und Detoxing alles andere als ein Mythos ist.
Störung im Häm-Stoffwechsel – Porphyrie und HPU
Häm ist bekannt als eisenhaltiger roter Blutfarbstoff der den Sauerstofftransport im Blut ermöglicht. Gebunden an das Carrierprotein Globin füllt es als Hämoglobin die Erythrozyten aus. So wie die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) einem stetigen Zyklus aus Auf- und Abbau unterliegen – etwa 120 Tage lang – wird auch das Häm in diesem Rhythmus recycelt. Sowohl im Auf- als auch im Abbau kann es bedingt durch Gen-Polymorphismen oder Giftstoffe zu Störungen kommen.
Nun muss man wissen, dass Häm bei Weitem nicht nur für den lebensnotwendigen Sauerstofftransport verantwortlich ist. Häm ist Bestandteil des Atmungskomplexes in den Mitochondrien und somit essenziell für die Energiegewinnung unserer Zellen. Häm ist wichtig für die Funktion sogenannter P450-Enzyme, die an der Phase-1-Entgiftung beteiligt sind. Außerdem kann es bei gestörtem Häm-Stoffwechsel vermehrt zu schädlichen Eiweißablagerungen (Amyloiden) im Gehirn kommen, die neurologische Schäden und Alzheimer verursachen.
Porphyrie
Bei der Porphyrie kommt es zu einer Störung der Häm-Synthese. Dabei lagern sich nicht verbrauchte Stoffwechselprodukte in verschiedenen Organen an und können dort zu Symptomen führen. Die sogenannten Prophyrine erscheinen zudem im Urin und sind ein Marker für die Erkrankung.
Die Ursache kann eine genetisch bedingte Störung des Enzyms Coproporphyrinoxidase (CPOX) sein, aber auch eine Belastung mit Quecksilber und anderen Giften, die das Enzym hemmen. Besonders problematisch ist es, wenn sowohl eine genetische Schädigung des Enzyms als auch eine Schwermetallbelastung vorhanden sind. In jedem Fall ist die Häm-Synthese beeinträchtigt.
Da Häm wiederum Bestandteil der P450-Enzyme ist, die für die Phase-1-Entgiftung gebraucht werden, sind Entgiftungsstörungen die Folge. Eine Ausleitung der Schwermetallbelastung und die Vermeidung weiterer Schadstoffbelastungen ist für Patienten mit Porphyrie deshalb besonders wichtig.
Hämopyrrollaktamurie (HPU) und Kryptopyrrolurie (KPU)
Bei der Hämopyrrollaktamurie (HPU) kommt es zur vermehrten Ausscheidung von Hämopyrrollaktam (HPL) über den Urin. Da die ausgeschiedenen Pyrrole Bestandteile der Porphyrine sind – die ihrerseits die Grundstruktur des Häms darstellen – haben wir es auch hier mit einer Störungen des Häm-Stoffwechsels zu tun. Die Störung ist vererbbar, kann jedoch auch durch Schwermetallbelastung, weitere Giftbelastungen sowie nitrosativen Stress ausgelöst werden.
Eng verwandt mit der HPU ist die Kryptopyrrolurie (KPU), bei der vermehrt Kryptopyrrol (auch Malvenfaktor genannt) über den Urin ausgeschieden wird. Die KPU kann auch durch Giftbelastungen oder durch Medikamenteneinnahme ausgelöst werden, ist aber anders als die HPU offenbar nicht vererbbar. Da bei KPU-Tests verschiedene Pyrrolverbindungen gemessen werden, deutet ein positives Testergebnis nicht immer auf eine Stoffwechselstörung. Der HPL-Komplex hingegen ist nur ein Teil davon und kann als einziger sicher eine Stoffwechsel- und Entgiftungsstörung nachweisen (Ritter, 2014).
Beide Störungen werden jedenfalls medizinisch zu den Porphyrien (auch Porphyrinopathien) und somit zu den Häm-Stoffwechselstörungen gerechnet. Ihre Existenz ist allerdings in der Schulmedizin trotz wissenschaftlicher Nachweise umstritten. Das verwundert nicht weiter, da Giftbelastungen und Entgiftungsstörungen in der offiziellen Lehrmeinung oftmals wie unerwünschte Stiefkinder behandelt werden.
Die Störungen von KPU und HPU ähneln zum Teil denen der übrigen Porphyrien. Durch den Mangel an funktionsfähigem Häm fehlen P450-Enzyme, wodurch die Phase-1-Entgiftung beeinträchtigt wird. Auch schädliche Amyloidablagerungen im Gehirn treten bei Störungen des Häm-Stoffwechsels häufiger auf (Gatta, 2009).
Verlust von Vitamin B6, Mangan und Zink
Zusätzlich – und das ist besonders kennzeichnend für KPU und HPU – gehen dem Körper große Mengen an Vitamin B6, Mangan und Zink verloren. Um die überschüssigen Pyrrole loszuwerden, werden Komplexe mit diesen drei Mikronährstoffen gebildet und gemeinsam über den Urin ausgeschieden. Mit der Zeit kommt es dann zu einer Verarmung dieser Mikronährstoffe und vielfältigen Mangelsymptomen.
Da Zink und Mangan an der Bildung der radikalfangenden Superoxiddismutasen (SOD) beteiligt sind, entstehen vermehrt Zellschäden durch oxidativen Stress. Vitamin B6 ist in seiner aktiven Form (Pyridoxal-5-Phosphat, kurz P5P) wichtig für die Bildung des Zellentgifters Glutathion. Fehlt B6 kommt es zu einem Glutathionmangel und einer weiteren Verschlechterung der Entgiftung. Zudem wird der Organismus anfälliger für virale Infektionen (wie Grippe, Herpes, EBV), da Glutathion antiviral wirkt.
Durch die mangelnde Entgiftungsfähigkeit und die vermehrten freien Radikale werden zudem die Mitochondrien der Zellen geschädigt, wodurch die Energiegewinnung zusätzlich beeinträchtigt wird (schon der Häm-Mangel schwächt die Atmungskette). Kohlenhydrate können nicht ausreichend zu Energie verbrannt werden und es entsteht Heißhunger auf Süßes. Ständige Müdigkeit und Erschöpfung sowie Erkrankungen wie Burn-out und CFS (Chronic fatigue syndrome) sind keine Seltenheit.
Entgiftungsleistung des Gehirns
Zur Risikobewertung von neurologischen Erkrankungen – insbesondere Parkinson und Alzheimer – kann der Apolipoprotein E-Genotyp bestimmt werden. APO E ist eine Transporteiweiß für Fette im Blut, die aufgrund ihrer schlechten Wasserlöslichkeit ein Eiweiß als Trägersubstanz benötigen. Es gibt unterschiedliche Subtypen von APO E, die aufgrund vorhandener oder fehlender Schwefelgruppen eine gute, mittlere oder schlechte Entgiftungsleistung aufweisen (Mutter, 2009).
Menschen, die den APO E4-Genotyp besitzen, haben besonders schlechte Karten. APO E4 besitzt keine Schwefelgruppe und hat somit keine Bindungsfähigkeit für giftiges Quecksilber im Gehirn. Für die Betroffenen ist es besonders wichtig, auf einen metallfreien Zahnersatz zu achten und regelmäßige Entgiftungskuren durchzuführen. Ansonsten haben sie ein bis zu 16-fach höheres Risiko, an Alzheimer zu erkranken.
Träger des APO E3 haben immerhin eine Schwefelgruppe in ihrem Apolipoprotein E und können einigermaßen gut entgiften.
Zu den Gewinnern im Gen-Roulette gehören die APO E2-Träger, deren APO E mit 2 Schwefelgruppen ausgestattet ist und besonders gut Giftstoffe aus dem Gehirn beseitigen können. Personen mit APO E2 haben ein geringeres Risiko, an Alzheimer oder Parkinson zu erkranken.
Da sich Schwermetallbelastungen des Gehirns nicht nur auf das Alzheimer- und Parkinsonrisiko auswirken, macht es Sinn auch bei anderen (beginnenden) neurologischen Symptomen eine APO E-Bestimmung durchführen zu lassen.
Entgiftungsenzyme – nicht jeder hat genug
Die in Phase 1 der Entgiftung aktivierten Giftstoffe müssen in Phase 2 mithilfe bestimmter Entgiftungsenzyme an (meist schwefelhaltige) Stoffe gekoppelt werden, damit sie ausgeschieden werden können.
Durch einen Mangel an Co-Faktoren (Spurenelemente, Vitamine, Aminosäuren) können die Enzyme nicht ausreichend gebildet werden und es kommt zur Entgiftungsstörung. Stehen außerdem nicht genügend bindungsfähige Stoffe – wie Cystein, S-Adenosylmethionin (SAM) und Glutathion – zur Verfügung, fehlen die Bindungspartner für die Giftstoffe, welche dann nicht ausgeschieden werden können.
Relativ häufig sind auch Polymorphismen der Entgiftungsenzyme, das heißt genetische Schäden, die zur Funktionsschwäche der lebenswichtigen Enzyme führen. Eine chronische Entgiftungsstörung ist die Folge.
Zu den Entgiftungsenzymen, deren Funktion im Labortest bestimmt werden kann, gehören die Glutathion-S-transferasen, die Glutathionperoxidase (abhängig von Selen), die Superoxiddismutasen (SOD1 braucht Zink und Kupfer, SOD2 braucht Mangan), die N-Acetyl-Transferasen (NAT) und die bereits erwähnten P450-Enzyme (wichtig für Phase 1).
Menschen, die hier Störungen aufweisen, sollten regelmäßig entgiften und weitere Schadstoffbelastungen so gut es geht vermeiden. Eine ausreichende Versorgung mit den Spurenelementen Selen, Zink, Mangan und Kupfer, sowie den Aminosäuren Cystein (N-Acetyl-Cystein), L-Glutamin und Glycin ist unentbehrlich.
Auch die direkte Einnahme von Antioxidantien wie Glutathion (in seiner reduzierten Form GSH) kann sinnvoll sein. Bei Personen mit Synthesestörung von Glutathion aufgrund eines Enzymschadens kann eine regelmäßige intravenöse Gabe in Form einer Glutathion-Infusion (am besten in Form von S-Acetyl-Glutathion, Eumetabol®) angezeigt sein. Bei der oralen Gabe von Glutathion wird dieses in seine Bestandteile Glutaminsäure, Glycin und Cystein zerlegt und kann bei Mangel an funktionsfähigen Enzymen nicht wieder zu Glutathion aufgebaut werden. Manche Therapeuten empfehlen daher die orale Einnahme von liposomalem Glutathion oder Acetyl-Glutathion, die stabiler sein sollen und nicht (vollständig) bei ihrer Resorption aufgespalten werden.
Antioxidative Kapazität
Ein weiteres Enzym, das in den Glutathion-Stoffwechsel eingreift und somit die Entgiftungsleistung beeinflusst, ist die Gamma-Glutamyl-Cystein-Synthase (GCS, auch Glutamat-Cystein-Ligase, GCL).
Reduziertes Glutathion (GSH) im Verhältnis zum oxidierten (GSSG) zeigt, wie gut die Zellen entgiften und mit oxidativem Stress umgehen können. Das nennt man auch die antioxidative Kapazität, die im Blutserum bestimmt werden kann.
Bei Vergiftungen und Schwermetallbelastung wird viel biologisch wirksames Glutathion (GSH) verbraucht und zu unwirksamem oxidiertem Glutathion (GSSG) umgewandelt. Es fehlt dann zur Neutralisierung von freien Radikalen, die ständig im normalen Zellstoffwechsel entstehen.
Fehlen die Einzelkomponenten von Glutathion – nämlich Cystein, Glutamin und Glycin – in der Nahrung, wird zudem weniger wirksames Glutathion aufgebaut.
Besteht nun ein Mangel an dem Enzym Gamma-Glutamyl-Cystein-Synthase, kann Glutathion trotz ausreichenden Einzelkomponenten nicht aufgebaut werden. Dies führt früher oder später zum Zelltod. Besteht ein Defekt am GCS-Gen führt das schon im Mutterleib zum Absterben der Frucht. Eine Fehlregulation des Enzyms im späteren Leben wird unter anderem mit Diabetes, Parkinson, Alzheimer, COPD, HIV und Krebs in Verbindung gebracht (Lu, 2008) (Franklin, 2009). Es ist logisch, dass bei einem solchen Mangel an Glutathion auch die Entgiftungsfähigkeit des Organismus stark eingeschränkt ist.
Besteht ein Mangel an wirksamem Glutathion, sollte dieses wie oben beschrieben per Infusion oder in stabiler Form (liposomales Glutathion, Acetylglutathion) zugeführt werden.
Allergien und Sensibilisierungen gegen Gifte
Nicht nur die Menge der angesammelten Giftstoffe spielt eine Rolle, sondern auch individuelle Immunreaktionen gegen bestimmte Stoffe. Die Betroffenen müssen keine schlechten Entgifter sein, aber ihr Immunsystem kann schon gegen geringe Mengen eines Stoffes allergisch reagieren. Beispiele wären Reaktionen gegen das Edelmetall Gold in Zahnkronen, Titanoxid das als Farbstoff in Tabletten und Kapselhüllen verwendet wird oder Nickel in Kochgeschirr und billigem Schmuck. Aber auch Kunststoffe, Lacke und Chemikalien können Sensibilisierungen hervorrufen, vor allem wenn ein wiederholter Kontakt (zum Beispiel am Arbeitsplatz) mit den betreffenden Stoffen stattfindet.
Einen guten Aspekt haben Allergien. Ist jemand zum Beispiel gegen Bestandteile von Amalgam allergisch, wird der Austausch der Füllungen von den gesetzlichen Kassen übernommen. Allerdings sollte man hierzu unbedingt einen biologischen Zahnarzt aufsuchen, der streng mit Kofferdamm, Atemschutz und niedrigtouriger Bohrern arbeitet. Ob diese potenziell teure Form der Amalgamentfernung von der gesetzlichen Kasse übernommen wird, sollte vor der Behandlung abgeklärt werden. Falls nicht, sollte man die zusätzlichen Kosten selbst tragen, zum Schutz der eigenen Gesundheit.
Geeignete Testverfahren, um Allergien gegen Giftstoffe aufzuspüren sind MELISA (Memory Lymphocyte Immunostimulation Assay) und LTT (Lymphozyten-Transformations-Test). Die Tests werden leider nicht von gesetzlichen Kassen übernommen, obwohl sie viel eindeutigere Ergebnisse liefern als die üblichen Hauttests.
Entgiftungsschübe durch hoch dosierte Vitamine
Vor kurzem hatte ich über die Wechselwirkung einiger Mikronährstoffe mit Schwermetallen geschrieben. Insbesondere Vitamin B12 in seiner aktiven Form Methylcobalamin, aber auch Vitamin D waren hier in den Fokus gerückt. Seit längerer Zeit war mir aufgefallen, dass viele Anwender hoch dosierter Vitamine von ausgezeichneten Ergebnissen und gesundheitlichen Verbesserungen berichteten, während einige andere immer wieder über Nebenwirkungen klagten.
Es gibt die Meinung, dass man nur geduldig sein müsse mit der Hochdosistherapie, dann verschwänden die unerwünschte Effekte irgendwann. Auch das funktioniert bei manchen, bei anderen wieder nicht. Doch was passiert biochemisch?
Methylcobalamin interagiert mit Quecksilber, in dem es dem anorganischen Hg2+ seine Methylgruppe spendiert, wodurch das organische, giftigere Methylquecksilber (MeHg) entsteht. Dadurch wird das Quecksilber jedoch nicht nur verändert und potenziell giftiger, sondern es wird auch mobilisiert.
Aufgrund dieser Eigenschaft werden Methylgruppen – z-B. in Form von Methylcobalamin (aktives Vitamin B12) – von einigen Therapeuten zum Entgiften gegeben. Die Konjugation von Methylresten an andere Stoffe gehört zur Phase-2-Entgiftung. Chlorella-Algen enthalten Methylcobalamin, das beim Mobilisieren von Quecksilber hilft. Da Chlorella zudem Sporopollein enthält, das stabile Bindungen mit dem Quecksilber eingeht und somit die Phase-3-Entgiftung unterstützt, kann das Quecksilber auch sicher ausleitet werden.
Die alleinige Gabe von Methylcobalamin kann das Quecksilber zwar mobilisieren aber nicht immer ausleiten. Es kann dann eher zur Verschiebung der giftigen Schwermetalle in andere Organe beitragen (Chapman, 2000).
Ähnlich verhält es sich mit Vitamin D. Vitamin D bindet zwar nicht direkt an Schwermetalle, fördert jedoch neben dem gewünschten Einstrom von Spurenelementen in die Zelle auch potenziell die Aufnahme von giftigen Stoffen ins Zellinnere. Gleichzeitig ist bekannt, dass Vitamin D auch die intrazelluläre Glutathionbildung anregt. Dadurch fördert es wiederum die Zellentgiftung. Und wie wir oben gesehen haben, können „gute Entgifter“, die funktionierenden Enzyme besitzen und zudem mit ausreichenden Co-Faktoren (Vitalstoffen) versorgt sind, auch wirksames Glutathion zum Schutz der Zellen aufbauen.
Kurbeln wir also die Entgiftung an, indem wir unter anderem Schwermetalle mit hoch dosierten Vitaminen mobilisieren, so sollten wir gleichzeitig auf eine ausreichende Versorgung mit Co-Faktoren (andere Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und Aminosäuren) achten. Liegt jedoch eine enzymatisch bedingte Entgiftungsstörungen wie HPU vor, so sollten wir akzeptieren, dass unser Organismus sensibler reagiert. Die hoch dosierte Gabe bestimmter Vitalstoffe mag dann bei dem Einen heilend, bei dem anderen potenziell schädlich wirken.
„Schlechte Entgifter“ brauchen mehr Geduld
Im Falle einer Entgiftungsstörung sollte man vorsichtig an die Einnahme von Mikronährstoffe herangehen. Hier ist es wichtig, zunächst die Entgiftungssysteme so gut es geht aufzubauen und dann ein Therapieschema anzuwenden, bei dem alle drei Phasen der Entgiftung sicher durchlaufen werden. Eine regelmäßige Entgiftung ist hier zwar in jedem Fall anzuraten, allerdings sollte diese mit besonderer Vorsicht und Geduld angegangen werden.
Quellen
Atamna et al: A role for heme in Alzheimer's disease: heme binds amyloid beta and has altered metabolism. Proc Natl Acad Sci U S A. 2004 Jul 27;101(30):11153-8. Epub 2004 Jul 19. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15263070
Chapman et al: The influence of nutrition on methyl mercury intoxication. (Der Einfluss von Nährstoffen auf eine Methylquecksilber Intoxikation.) Environ Health Perspect. 2000 Mar; 108(Suppl 1): 29–56. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1637774/?page=6
Faller: Der Körper des Menschen. Einführung in Bau und Funktion. Thieme Verlag, 16. Auflage, 2012
Franklin et al: Structure, function, and post-translational regulation of the catalytic and modifier subunits of glutamate cysteine ligase. Published in final edited form as: Mol Aspects Med. 2009; 30(1-2): 86–98. Published online 2008 Sep 6. doi: 10.1016/j.mam.2008.08.009 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2714364/
Gatta et al: Inhibition of heme synthesis alters Amyloid Precursor Protein processing. J Neural Transm (2009) 116:79–88 DOI 10.1007/s00702-008-0147-z http://download.bioon.com.cn/upload/month_0901/20090116_4b7dead0189f48f6b1cajubG2leato4L.attach.pdf
Kamsteeg: HPU – eine angeborene Porphyrinopathie. 10. Jahrgang, Heft 3/2002 | Zeitschrift für Umweltmedizin http://www.keac.nl/de/dokumente/HG_HPU.pdf
LU: Regulation of glutathione synthesis. Mol Aspects Med. 2009; 30(1-2): 42–59. Published online 2008 Jun 14. doi: 10.1016/j.mam.2008.05.005 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2704241/
Mohammadi: You can´t dextox your body. It´s a myth. So how do you get healthy? The Guardian online, Health & Wellbeing. Veröffentlicht am 5.12.2014 http://www.theguardian.com/lifeandstyle/2014/dec/05/detox-myth-health-diet-science-ignorance?CMP=share_btn_fb
Wikipedia: Biotransformation. https://de.wikipedia.org/wiki/Biotransformation
Mutter: Gesund statt chronisch krank. Fit für´s Leben Verlag, 2009
Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. De Gruyter, 260. Auflage, 2004
Ritter, Baumeister-Jesch: Stoffwechselstörung HPU. VAK Verlags GmbH, 2014
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