Die Corona-Pandemie hat sich im Winter 2022/2023 zu einer endemischen Lage hin entwickelt und weitestgehend ihren Schrecken verloren. Akute Infektionen verlaufen größtenteils milde oder gar unbemerkt. Die Lage in den Krankenhäusern hat sich normalisiert. Auch in Politik und Medien stehen wieder andere Themen im Vordergrund. Was bleibt, sind Long-Covid und Post-Vac-Syndrom Fälle und viele Fragezeichen zur jeweiligen Häufigkeit, Kausalität, Schweregrad, Diagnose und Therapie. Der folgende Beitrag soll einen Überblick über laborbasierte Diagnoseansätze, sowie Möglichkeiten der ganzheitlichen Therapie geben.
Long-Covid oder Post-Vac – worunter leide ich eigentlich?
Die Gretchenfrage gleich zu Beginn. Sie hätte einen eigenen Artikel, zahlreiche Studien, sowie eine große öffentliche Debatte verdient. Ich vermute, dass wir diese Frage auch mit unzähligen Studien kaum objektiv beantworten können werden. Zu geteilt sind die Lager (immer noch). Für viele war und ist eine Covid-Infektion das Schlimmste und die Impfung eigentlich harmlos. Für andere ist die Impfung das größte Übel und die Infektion vergleichsweise erträglich. Etwas neutralere Geister gestehen beiden, also Infektion und Impfung ein gewisses Gefahrenpotential zu und wollen wissen, was denn nun mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Nach- und Nebenwirkungen führt. Meist geschieht die Bewertung der Zahlen und „Fakten“ nicht unvoreingenommen. So zumindest meine Beobachtung.
Da ich mich hier nicht auf eine Seite schlagen möchte und auch keine Ambitionen habe, eine genaue Statistik vorzulegen, belasse ich es an dieser Stelle bei meiner ganz praktischen, klinischen Beobachtung. In meiner Praxis erlebe ich eine etwa gleich hohe Anzahl von Fällen, bei denen eine Symptomatik im zeitlichen Zusammenhang nach einer Corona-Infektion oder Impfung entstanden ist. Die Symptome in beiden Gruppen sind erstaunlich ähnlich und beziehen sich am häufigsten auf das Nervensystem, danach folgen Veränderungen des Immunsystems sowie des Gefäßsystems.
Übrigens gibt es bisher keine einheitliche Unterscheidung der Begriffe Long-Covid und Post-Covid. Meist werden sie synonym gebraucht. Teilweise wird mit Long-Covid eher ein längeres Anhalten von Symptomen einer akuten Covid-Infektion (> 4 Wochen) gemeint und mit Post-Covid ein Chronifizieren der Symptomatik (> 12 Wochen).
Häufige Symptome von Long-Covid und Post-Vac
Neurologische Symptome
Am häufigsten begegnen mir neurologische Symptome in meiner Praxis. Vor allem Schwindel und Parästhesien (Missempfindungen). Da insbesondere Schwindel auch bei Durchblutungsstörungen auftitt, kann er sowohl ein neurologisches als auch ein vaskuläres Symptom sein. Eine These zur Entstehung sind sogenannte Neurotransmitter-Rezeptor-Antikörper, auf die ich weiter unten bezüglich der Labordiagnostik noch genauer eingehen werde. Da diese autoimmunen Reaktionen auch das Gefäßsystem beeinflussen können, kann man in diesem Zusammenhang von neuro-vaskulären Symptomen sprechen.
Desweiteren können sich Missempfindungen als Taubheitsgefühle, Schwäche, Vibrieren oder Zittern der Muskulatur ausdrücken. Diese können als neuro-muskuläre Symptome beschrieben werden.
Vaskuläre Symptome
Durchblutungsstörungen bis hin zu Gefäßverschlüssen beobachte ich in meiner Praxis seltener. Das liegt sicher auch daran, dass sie lebensgefährlich sein oder gar zum Tode führen können. Man denke an Hirnvenenthrombosen oder andere Gefäßverschlüsse mit Organversagen. Selbstverständlich landen Patienten mit lebensbedrohlichen Komplikationen in der Notfallmedizin und in der Nachbetreuung beim Facharzt und sehr selten beim Heilpraktiker. Symptome, „mit denen man leben kann“, die eher einen subjektiven Charakter haben, aber die Lebensqualität einschränken, führen hingegen häufiger zum Gang in die Naturheilpraxis. Vor allem dann, wenn schulmedizinisch nicht wirklich geholfen werden kann. Und das ist bei den genannten neurologischen Problemen nach Corona oder Impfung recht häufig der Fall.
Autoimmune Symptome und andere Veränderungen des Immunsystems
Das dritte Phänomen, das mir in der Praxis bei Long-Covid und Post-Vakzin Patienten häufig begegnet, sind Probleme und Veränderungen des Immunsystems. Autoantikörper gegen Bestandteile des Nerven- und Gefäßsystems werden für die Entstehung der oben genannten Symptome diskutiert. Die Labordiagnostik der sogenannten G-Protein-gekoppelten Rezeptor-Autoantikörper (GPCR-Antikörper) spielt hier in der Ursachenfindung eine wichtige Rolle. Weiter unten mehr dazu.
Weitere Phänomene des Immunsystems sind die Auslösung oder Verstärkung verschiedenster Entzündungsherde im Körper. Also eine Überaktivierung des Immunsystems. Neben der primären Überaktivierung des Immunsystems bis hin zu autoimmunen Prozessen, lassen sich auch Schwächungen des Immunsystems feststellen. Diese können zu einer vermehrten Infektanfälligkeit oder Re-Aktivierung chronisch persistierenden Viren führen. Vor allem Viren der Herpes-Familie, wie EBV (Eppstein-Bar-Virus), CMV (Cytomegalie-Virus), HSV (Herpes-simplex-Virus) oder HZV (Herpes-Zoster-Virus) wären hier zu nennen. Für letzteren wurde ja eine eigene Impfkampagne angestoßen, da im Rahmen von Covid ein vermehrtes Auftreten der Gürtelrose beobachtet wurde.
Fatigue Symptome – chronisches Müdigkeitssyndrom (CFS)
Allgemeine und begleitende Symptome sind in vielen Fällen Leistungseinbußen, ständige Müdigkeit (Fatigue), sowie kognitive Störungen (Konzentrationsstörungen, „Hirnnebel/ brain fog“). Diese lassen sich am ehesten durch Veränderungen des Immunsystems und des Nervensystems erklären.
Symptome verschiedener Organsysteme
Weitere Symptome mit unterschiedlicher Häufigkeit finden sich an verschiedenen Organsystemen: Lungen (Kurzatmigkeit, Alveolitis), Herz-Kreislauf (Herzklopfen, Myokarditis), Hormonsystem (Zyklusstörungen, Diabetes mellitus), Verdauungstrakt (Bauchschmerzen, Veränderungen des Mikrobioms, Colitis, Histaminintoleranz), Bewegungsapparat (Muskel- und Gelenkschmerzen, rheumatische Beschwerden), Haut (Hautausschläge, Flush). Zusammenhänge zu Long-Covid, Post-Vac müssen im Einzelfall geklärt werden und ergeben sich häufig aus der Anamnese. Da Vorerkrankungen in den betreffenden Organsystemen und genetische Disposition mit hineinspielen, kann die Kausalität häufig nicht eindeutig geklärt werden. Der zeitliche Zusammenhang des Auftretens oder der Verstärkung der Symptome mit einer Corona-Infektion oder Impfung ist zunächst wegweisend. Bestimmte Labormarker können weiter Aufschluss geben.
Pathophysiologie von Long-Covid und Post-Vac – was genau passiert eigentlich im Körper?
Es gibt verschiedene Hypothesen zur Entstehung von Long-Covid und Post-Vac-Syndromen.
Schwere des Covid-Verlaufs
Die Schwere des Verlaufs einer Covid-Infektion spielt insofern eine Rolle, dass es durch Entzündungen der Gewebe (vor allem Lungenentzündungen) zu einer Schädigung des Organs kommen kann. Genauso können Durchblutungsstörungen bis hin Thrombosen und Infarkten Gewebe und Organe nachhaltig schädigen, wenn ein Patient diese Ereignisse überlebt. Dass danach die Organe in ihrer Funktion beeinträchtigt sind, versteht sich von selbst.
Zusätzlich können geschädigte Gewebe, chronisch entzündliche Prozesse triggern. Dabei müssen die Gewebe gar nicht mal stark geschädigt sein. Entscheidend sind die regulatorischen Fähigkeiten des Immunsystems und die Veranlagung des Organismus, autoimmune Reaktionen zu produzieren.
Autoimmunität, autoimmune Vorerkrankungen
Eine Häufung von Long-Covid und Post-Vac Syndromen scheint es bei zuvor bereits aktiven oder latent vorhandenen Autoimmunkrankheiten zu geben. Die Neigung des Immunsystems, eine autoimmune Krankheit zu entwickeln, ist in der Regel genetisch veranlagt. Verschiedene Umweltfaktoren können der entscheidende Trigger sein, der die Krankheit zum Ausbruch bringt. Neben Corona können viele andere Infektionskrankheiten Autoimmunkrankheiten auslösen. Vor allem virale Infektionen stehen hier im Fokus. Schließlich muss der Organismus bei der Bekämpfung von Viruserkrankungen die von Viren befallenen Körperzellen erkennen und ausschalten. Die Bekämpfung eines Virus ist damit quasi bereits ein autoimmuner Prozess.
Entscheidend ist die Fähigkeit des Immunsystems, seinen Angriff auf eigene Zellen und Gewebe rechtzeitig wieder zu stoppen. Und zwar möglichst schnell nachdem das Virus besiegt worden ist. Die sogenannten T-regulatorischen Zellen stoppen dann den Angriff auf eigenes, zuvor mit Viren befallenes Gewebe, das sich daraufhin wieder regenerieren kann. Stoppt diese Immunreaktion nicht von alleine, weil die T-reg-Zellen nicht richtig arbeiten, können autoimmune Prozesse anhaltende und chronische Entzündungen in den betreffenden Geweben produzieren. Teilweise bleiben die Entzündungen dann begrenzt auf die entsprechenden Gewebe. Manchmal werden aber auch systemische Autoimmunkrankheiten ausgelöst, die sich auf weitere (verwandte) Gewebsstrukturen ausbreiten.
Thromboembolische Ereignisse und Gewebeschäden
Die bekannteste schwere Nebenwirkung der Corona-Impfung ist die Hirnvenenthrombose. Nicht rechtzeitig behandelt führt sie zum Tode oder schweren Folgeschäden. Sie wurde vor allem im zeitlichen Zusammenhang mit der Verimpfung des vektorbasierten Covid-19-Impfstoffs von AstraZeneca beobachtet und gehört zu den wenigen anerkannten schweren Impf-Nebenwirkungen. Aber auch nach Verabreichung von mRNA-Impfstoffen trat sie auf.
Virusreservoir – Persistenz des Corona-Virus bzw. des Spike-Proteins
Eine weitere Theorie zur Entstehung von Long-Covid und Post-Vac ist die mögliche Persistenz des Covid-19-Virus bzw. seines Spike-Proteins (Ledford, Spektrum 2022) (DGN 2022).
Spike-Proteine gelangen durch die Infektion mit dem Corona-Virus in den Körper und werden durch die mRNA-Impfung im Körper selbst gebildet. Da eine Persistenz des Spike-Proteins in beiden Fällen denkbar ist, könnte dies eine Erklärung für die Ähnlichkeit der Symptomatik von Long-Covid und Post-Vac sein (PZ 2022).
Veränderungen des Darmmikrobioms
Unsere Darmbakterien stehen in einer engen Interaktion mit unserem Immunsystem. Eine gesunde Darmflora stärkt und reguliert unser Immunsystem, während eine Dysbiose (krankhafte Veränderung der natürlichen Flora) uns anfällig macht gegenüber Infekten, Allergien und autoimmunen Reaktionen.
Daher könnte unsere Darmflora unsere Anfälligkeit für Long-Covid und Post-Vac beeinflussen. Aber auch auf umgekehrtem Wege könnten Corona-Infektionen oder Impfungen unser natürliches Mikrobiom negativ beeinflussen (Konturek 2021).
Toxische Belastungen spielen zumindest aus ganzheitsmedizinischer Sicht eine Rolle
Wie bereits weiter oben erwähnt, weisen viele Long-Covid/ Post-Vac Fälle Symptome des chronic fatigue syndromes auf. Die bekannteste Pathogenese und ICD-10 Norm ist das postvirale chronische Müdigkeitssyndrom. Bekanntester Erreger als Auslöser von CFS ist der Eppstein-Bar-Virus (EBV).
Schulmedizinische Behandlungsansätze gibt es praktisch nur in der akuten Phase von Herpes-Virus-Infektionen. Virustatika wie Aciclovir oder Valaciclovir kommen dann zum Einsatz. In chronischen Fällen haben diese Medikamente kaum noch eine Wirkung. Symptomtisch kommen ggf. Schmerzmittel oder Antidepressiva zum Einsatz.
In ganzheitlichen Behandlungsansätzen spielen bei CFS Ernährungsumstellungen (z.B. allergenarme Kost, histaminarme Ernährung) und Nährstofftherapien (Vitamine, Mineralstoffe, essentielle Aminosäuren und Fettsäuren), sowie Therapien des Mikrobiom (mithilfe und Pro- und Präbiotika, u.a.) eine wichtige Rolle. Diese Maßnahmen haben immunregulierende- und stärkende Wirkungen. Entsprechend können spezielle Diäten und eine optimierte Nährstoffzufuhr (oral und i.v.) hilfreich sein bei der Behandlung von Long-Covid und Post-Vac.
Neben recht naheliegenden Ansätzen, wie ein Ausgleich von Nährstoffdefiziten, spielen in der ganzheitlichen Betrachtungsweise toxische Belastungen eine wichtige Rolle in der Ursachenfindung des chronischen Müdigkeitssyndroms. Toxische Belastungen können Fehlfunktionen des Immunsystem begünstigen.
Auch wenn spezielle Studien zum Zusammenhang zwischen Long-Covid/ Post-Vac und toxischen Belastungen noch fehlen, so lässt sich aus den Erfahrungen mit CFS ableiten, dass hier Potential besteht. Neben einigen genetischen Faktoren und vorhandenen Autoimmunkrankheiten, herrscht nämlich noch weitestgehend Unklarheit, warum jemand auf eine Infektion oder Impfung heftig reagiert oder beides unbeschadet übersteht. Das Thema Toxine lässt sich natürlich sehr leicht als Erklärung heranziehen, auch wenn klare Belege im Einzelfall fehlen. Auf der anderen Seite wird das Thema in der Schulmedizin sehr stiefmütterlich behandelt oder gar nicht erst in Betracht gezogen.
Um hier mehr Klarheit zu schaffen, können bei den Betroffenen Labortests zu spezifischen toxischen Belastungen sowie zur Entgiftungskapazität durchgeführt werden.
Neben allgemeinen Umwelttoxinen, denen wir alle mehr oder minder ausgesetzt sind, gibt es auch eine Diskussion über in den Impfchargen selbst vorhandene Toxine. Hier ist die Rede von Konservierungsmitteln, Impfwirkungsverstärkern und anderen möglichen Zusatzstoffen. Von Herstellerseite werden diese meist als generell ungefährlich oder aufgrund der niedrigen Dosis als ungefährlich dargestellt. In der Impfhistorie wurden manche Zusatzstoffe allerdings erst Jahre später als bedenklich erkannt. Man denke an das teilweise bis heute verwandte quecksilberhaltige Thiomersal, das immer noch sehr kontrovers diskutiert wird. Ähnlich wie quecksilberhaltige Amalgamplomben gibt es hier zwei sehr geteilte Lager, was die Bewertung der Schädlichkeit betrifft. Thiomersal ist meines Wissens nach nicht in den Covid-Impfstoffen enthalten. Über andere Stoffe, wie zum Beispiel Nanopartikel, wird kontrovers diskutiert.
Grundsätzlich beobachte ich in meiner Praxis, dass Menschen mit schlechter Entgiftungskapazität mehr Probleme mit den verschiedensten Toxinen haben. Hier spielen genetische Faktoren sowie Umweltfaktoren mit rein. Eine Verbesserung der Entgiftungskapazität oder auch ein spezifische Ausleitung von Toxinen können bei chronischen Erkrankungen wichtige Bausteine sein.
Labordiagnostik und Therapie bei Long-Covid und Post-Vac
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, dass es keinen eindeutigen labordiagnostischen Beweis für ein Long-Covid- oder Post-Vac-Syndrom gibt. Wegweisend ist zunächst eine genaue Anamnese. Vor allem der zeitliche Zusammenhang kann Indizien liefern. Aber auch bestimmte Vorerkrankungen (z.B. Autoimmunkrankheiten), sowie das Vorhandensein und die Intensität vergleichbarer Symptome vor der Infektion oder Impfung sollten in Betracht gezogen werden.
Bei den im Folgenden beschrieben labordiagnostischen Parametern gibt es eine beobachtete Korrelation zum Auftreten von Long-Covid und Post-Vac Symptomatiken. Zusammen mit der Anamnese kann dadurch die Wahrscheinlichkeit der Phänomene besser bewertet werden. Wichtiger als die Ursachenfindung dürften jedoch Hinweise zu Therapiemöglichkeiten sein, die wir aus der Labordiagnostik ziehen können.
G-Protein-gekoppelte-Rezeptor-Antikörper (GPCR-Antikörper)
G-Protein-gekoppelte Rezeptoren übertragen Signale ins Zellinnere. Sie sprechen auf verschiedene Hormone und Neurotransmitter an und steuern je nach Rezeptortyp insbesondere Funktionen des Nerven- und Gefäßsystems. Viren können die GPCR manipulieren. Neben SARS-CoV-2 können offenbar auch Eppstein-Barr Viren (EBV) die Bildung von Autoantikörpern gegen GPCR provozieren. EBV-Infektionen gelten als häufigste Ursache von ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/ Chronisches Fatigue Syndrom). Bei 30% der Betroffenen finden sich Neurotransmitter-Rezeptor-Antikörpern, die zu den GPCR zählen. Ein vergleichbarer Pathomechanismus wird bei Long-Covid/ Post-Vac vermutet.
Folgende GPCR-Autoantikörper zeigen eine Korrelation zu Long-Covid/ Post-Vaccin:
b1-adrenerge Rezeptor-AK
b2-adrenerge Rezeptor-AK
M3-mAChR-AK
M4-mAChR-AK
Endothelin-Rezeptor-AK
Angiotensin II-Rezeptor 1-AK
Zytokinmessungen – TH1-TH2-Immunbalance
Zytokine wie IFN-g oder IL-4 sind entzündungsfördnernde Botenstoffe des Immunsystems, die von spezialisierten Lymphozyten ausgeschüttet werden. IFN-g wird von den T-Helferzellen des Typs 1, IL-4 von den T-Helferzellen des Typs 2 freigesetzt. Während bei akuten Infektionen Veränderungen der Zytokine normale Reaktionen der Immunabwehr widerspiegeln, können sie bei chronischen Symptomen auf eine Schieflage des Immunsystems hinweisen. Ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen beiden Zytokinen zeigt eine normale Funktion des Immunsystems an. Entsprechend bezeichnet die errechnete Ratio beider Werte die sogenannte TH1-TH2-Immunbalance.
Da Zytokine äußerst sensitive Marker sind, können sie bei ansonsten unklarer Symptomatik, wertvolle Hinweise liefern. Während bei einer akuten Corona-Infektion oder kurz nach einer Covid-Impfung erhöhte Zytokinwerte zu erwarten sind, sollten diese sich nach Abklingen der Infektion oder kurzzeitigen Impfreaktion wieder normalisieren. Bleiben sie hingegen längerfristig oder gar dauerhaft erhöht oder ungewöhnlich vermindert, deutet dies auf eine Chronifizierung von Entzündungsprozessen hin.
Da Veränderungen der Zytokine nicht explizit auf eine bestimmte Erkrankung hinweisen, sondern zunächst nur eine Problematik des Immunsystems aufzeigen, können sie auch nicht beweisend für ein Long-Covid oder Post-Vaccin-Syndrom sein. Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Auftreten der Symptomatik nach Infekt oder Impfung können sie jedoch richtungsweisende Impulse für Diagnose und Therapie liefern.
Nährstoffstatus – Mikronährstoffanalyse
Mikronährstoffe (Vitamine, Mineralien, Aminosäuren und Fettsäuren) liefern wichtige Bausteine und Co-Faktoren für unser Immunsystem. Eine tadellose Funktion unseres Immunsystems sowie des gesamten Organismus ist abhängig von einer guten Versorgung mit diesen Stoffen. Während eine ausgewogenen Ernährung eine gute Basis liefert, können spezifische Tests helfen, die individuelle Versorgung exakt zu bewerten und wenn nötig mit Nahrungsergänzung zu optimieren.
Untersuchung des Mikrobioms – Darmfloraanalyse
Das menschliche Mikrobiom steht in einem engen Austausch mit unserem Immunsystem. Billionen von Bakterien bilden in unserem Darm ein Ökosystem, das im gesunden Zustand unser Immunsystem stärkt und reguliert. Bei krankhaften Veränderungen der Darmflora sprechen wir von einer Dysbiose. Sie kann hervorgerufen werden durch eine ungesunde Ernährung (Verzehr von Fertigprodukten, ballaststoffarme Ernährung, Allergene, etc.), Einnahme von Antibiotika, Stress, aber auch durch Infektionen. So können offenbar auch Infektionen mit dem Corona-Virus die Darmflora ungünstig beeinflussen. Zudem kann eine Dysbiose unser Immunsystem schwächen und uns somit anfälliger machen gegenüber Infektionen beziehungsweise deren Verlauf negativ beeinflussen.
Neben einer Schwächung des Immunsystems können Dysbiosen auch Allergien und autoimmune Reaktionen begünstigen. Es liegt daher nahe, auch bei Long-Covid/Post-Vaccin das Mikrobiom in Diagnostik und Therapie miteinzubeziehen.
Tests auf Nahrungsallergene und Histaminstoffwechsel
Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Long-Covid/ Post-Vaccin und dem Verzehr von Allergenen oder Histaminen scheint es nicht zu geben. Allerdings hat sich in der Behandlung verschiedenster chronischer Erkrankungen gezeigt, dass das Meiden von Allergenen und entzündungsfördernden Stoffen wie Histaminen, zumindest lindernd auf die Symptomatik einwirken kann. Und zwar insbesondre dann, wenn chronische Entzündungsprozesse in das Krankheitsgeschehen involviert sind. Manchmal sind diese Entzündungsprozesse außerhalb des üblichen Radars der Diagnostik. Das heißt, bekannte Entzündungsmarker wie das C-reaktive Protein (CRP) können unauffällig sein, obwohl stille Entzündungsprozesse („silent inflammation”) in betroffenen Bereichen ablaufen.
Im Fall von Long-Covid/Post-Vakzin können die weiter oben beschrieben GPCR-Autoantikörper oder entzündungsffördernde Zytokine erhöht sein.
Haben wir es nun mit chronischen Entzündungsprozessen zu tun, so kann eine allergen-und histaminarme Kost zu einer Beruhigung des Immunsystems beitragen.
Nattokinase könnte helfen Spike-Protein aufzulösen
Nattokinase ist ein Enzym, das aus der Soja-Bohne gewonnen wird. Es hat gerinnungshemmende, also blutverdünnende Eigenschaften. Zumindest in vitro konnte beobachtet werden, dass das Spike-Protein unter Einwirkung von Nattokinase (schneller) abgebaut wird. In vitro bedeutet, man hat diesen Effekt in Zellkulturen, also quasi in der Petrischale, beobachten können. Inwieweit sich dieser Prozess im Organismus des Menschen, also in vivo, reproduzieren lässt, wurde meines Wissens noch nicht untersucht.
Da es sich bei Nattokinase jedoch um eine an sich harmlose Natursubstanz handelt, die im Essen oder in konzentrierter Form als Nahrungsergänzung eingenommen werden kann, ist sie einen Versuch wert. Anwender und Patienten in meiner Praxis berichten von positiven Resultaten. Die Dosierung als Nahrungsergänzung liegt bei 100 bis 200 mg am Tag. Aufgrund der blutverdünnenden Wirkung sollte es vorsichtig dosiert werden. Bei sachgemäßer Anwendung ist es i.d.R. gut verträglich. Beachtet werden sollte, dass manche Menschen auf Sojaprodukte allergisch reagieren. Die gleichzeitige Einnahme von Nattokinase und Blutverdünnern (Heparin, Markumar, etc) sollte gemieden werden, da es sonst zu Blutungen kommen kann.
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Quellen
Ledford: Das Schlupfloch des Virus. Spektrum(8.6.22) https://www.spektrum.de/news/long-covid-versteckt-sich-das-coronavirus-im-koerper/2027152
DGN: Nachweis von zirkulierendem Spike-Antigen bei Long-COVID (16.9.22) https://dgn.org/artikel/2081
Pharmazeutische Zeitung: Spuren von Impf-mRNA in Muttermilch gefunden. PZ (4.10.22) https://www.pharmazeutische-zeitung.de/spuren-von-impf-mrna-in-muttermilch-gefunden-135937/
Konturek, Peter: Wie wirkt sich COVID-19 auf die intestinale Mikrobiota aus? MMW Fortschr Med. 2021; 163(Suppl 5): 17–20. Published online 2021 Sep 9.
National Academy of Sciences: Biologic Markers in Immunotoxicology. The Capacity of Toxic Agents to Compromise the Immune System (Biologic Markers of Immunosuppression). https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK235670/
Hameid et al: SARS-CoV-2 may hijack GPCR signaling pathways to dysregulate lung ion and fluid transport. Am J Physiol Lung Cell Mol Physiol. 2021 Mar 1;320(3):L430-L435. doi: 10.1152/ajplung.00499.2020. Epub 2021 Jan 12. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33434105/
Tanikawa et al: Degradative Effect of Nattokinase on Spike Protein of SARS-CoV-2. Molecules. 2022 Sep; 27(17): 5405. Published online 2022 Aug 24. doi: 10.3390/molecules27175405